Ökostrom-Boom in China

  • Search22.12.2023

Windkraft vom Dach der Welt

China hat am Himalaya-Rand den höchstgelegenen Windpark der Welt gebaut. Der Aufwand war enorm, doch er könnte sich auszahlen – und dazu beitragen, dass China den Gipfel seiner Emissionen schon bald überschreitet.

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    5200 Meter über dem Meeresspiegel: Der Windpark Zhegu in den Ausläufern des Himalayas.

    5200 Meter über dem Meeresspiegel: der Windpark Zhegu in den Ausläufern des Himalayas.

     

    Von Jörn Petring, Peking

    Im verwaschenen Braungrün der tibetanischen Hochebene fallen die strahlend weißen Windräder schon aus großer Entfernung ins Auge. Auf den ersten Blick unterscheidet sie nichts von jenen in anderen Teilen der Welt. Erst bei genauem Hinsehen zeichnet sich ihre Besonderheit ab: die ungewöhnlich langen Rotorblätter.

    Diese Anpassung ergibt sich aus der beeindruckenden Höhe, in der der Windpark Zhegu errichtet wurde. Er steht in den nördlichen Ausläufern des Himalayas, bis zu 5200 Meter über dem Meeresspiegel. Damit ist der von der staatseigenen China Three Gorges Corporation (CTG) finanzierte Windpark der höchstgelegene der Welt. Zum Vergleich: Europas höchster Windpark im Schweizer Kanton Wallis steht auf „nur“ 2500 Metern.

    Die Höhenluft ist ein Problem. Die Windräder mussten angepasst werden

    Die 15 Turbinen in Zeghu mit einer Leistung von je 3,6 Megawatt sollen jährlich 200 Millionen Kilowattstunden sauberen Strom erzeugen. Das entspricht dem Verbrauch von 140.000 lokalen Haushalten, wie Three Gorges anlässlich der Inbetriebnahme der letzten Anlagen im Oktober mitteilte.

    Um das zu erreichen, hat das Unternehmen einigen Aufwand betrieben. Denn mit der Höhe nimmt die Luftdichte ab. Deshalb trifft weniger Luftmasse auf die Rotorblätter, was die Energieausbeute beeinträchtigt. Die besondere Länge und Form der Blätter sollen diesen Nachteil ausgleichen. Der Rotordurchmesser liegt bei 160 Metern, das sind rund 20 Meter mehr als bei vergleichbaren Windrädern an gewöhnlichen, tieferen Standorten.

    Die extreme Höhenlage stellt besondere Herausforderungen an die Turbinen des Windparks Zhegu.

    Windrad in Zhegu: Agrarprodukte lassen sich in der Gegend kaum ernten – Energie dagegen schon.

    Zudem kamen spezielle Beschichtungen zum Einsatz, und die Anlagen wurden besonders robust gebaut, wie der Staatssender CCTV berichtet. Der Standort sei oft extremen Wetterbedingungen ausgesetzt, einschließlich starker Winde, niedriger Temperaturen und hoher UV-Strahlung.

    Warum, fragt man sich dann, werden hier überhaupt Windräder gebaut?

    Gebirge und Wüsten: China nutzt gezielt unwirtliche Gebiete zur Stromerzeugung

    Das liegt daran, dass die Region neben den Nachteilen auch einige entscheidende Vorteile besitzt: „Es wurden Flächen genutzt, die für andere Zwecke weniger gut geeignet sind“, berichtet einer der Ingenieure, der an der Planung beteiligt war: „Höhergelegene Gebiete bieten aber vor allem oft konsistentere und stärkere Winde, was zu einer höheren Energieeffizienz und Produktivität der Windturbinen führt.“

    Das Qinghai-Tibet-Plateau ist für die Gewinnung von Windenergie prädestiniert – zumindest was die mögliche Windausbeute betrifft. Die Region verfügt über 26 Prozent des nationalen Gesamtpotenzials für Windenergie, so ein von Chinas Nationalem Klimazentrum im vergangenen Jahr veröffentlichter Bericht. Dieses Potenzial soll in Zukunft stärker ausgeschöpft werden.

    Insgesamt setzt China beim rasanten Ausbau seiner erneuerbaren Energien zunehmend auf jene Teile des Landes, die sich für andere Zwecke kaum nutzen lassen. Wüstenregionen wie die Gobi bieten wegen der hohen Sonneneinstrahlung ideale Voraussetzungen für die Installation von Solarenergieanlagen. Die tibetische Hochebene ist dagegen für Windparks geeignet. Zahlreiche Flüsse und das geologische Profil bieten jedoch auch gute Voraussetzungen für Wasserkraft- und Geothermieanlagen.

    Solarpark in der Wüste Gobi: Kein Land der Welt baut die erneuerbaren Energien schneller aus als China.

    Solarpark in der Wüste Gobi: Kein Land der Welt baut die erneuerbaren Energien schneller aus als China.

    Peking hat im vergangenen Jahr erneut große Fortschritte beim Ökostromausbau gemacht. So sorgt eine Mitte November vorgestellte Analyse des in Helsinki ansässigen Zentrums für Energieforschung und saubere Luft (CREA) für Aufsehen unter Klimaexperten. Den Berechnungen zufolge könnten Chinas Treibhausgasemissionen im kommenden Jahr in einen „strukturellen Rückgang“ übergehen.

    Chinas Stromverbrauch wächst – aber die Erneuerbaren wachsen schneller

    Zwar seien die Emissionen auch 2023 weiter gestiegen. Gleichzeitig sei aber die Wind- und Solarenergie in einem noch nie da gewesenen Tempo ausgebaut worden. Zum ersten Mal könnte China mit erneuerbaren Energien den durchschnittlichen jährlichen Anstieg des chinesischen Strombedarfs so nicht nur decken, sondern übertreffen, so CREA-Analyst Lauri Myllyvirta.

    Neue Kraftwerke in China: Die Kapazität der Wind- und Solarenergie wächst mehr als doppelt so schnell wie die der Kohle. Infografik: Andreas Mohrmann

    „Die Zukunft Chinas liegt in den erneuerbaren Energien, trotz der Herausforderungen, sie in das bestehende Energiesystem zu integrieren“, sagt auch Ma Jun, Direktor des Pekinger Instituts für Umweltangelegenheiten, im Gespräch mit EnergieWinde. Diese Entwicklung ist von großer Bedeutung, denn China stößt weltweit mit Abstand die meisten klimaschädlichen Treibhausgase aus, gefolgt von den USA. Bei den Pro-Kopf-Emissionen liegen die Amerikaner allerdings deutlich vor den Chinesen.

    Offiziell will China seine Emissionen erst ab 2030 schrittweise senken, was Experten für unvereinbar mit dem Ziel halten, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Hält der Boom der erneuerbaren Energien in China an, könnte es nun deutlich schneller gehen.

    Und soll das Tempo des Ausbaus beibehalten werden, führt an der Erschließung neuer Flächen kein Weg vorbei.

    Da die tibetische Hochebene und die Wüsten des Landes zusammen etwa 40 bis 50 Prozent der Fläche der Volksrepublik ausmachen, wird die Regierung künftig hier den Bau vorantreiben.

    Windräder hoch in den Bergen? In Deutschland keine Option

    In Deutschland ergibt es Experten zufolge dagegen kaum Sinn, Windräder im Gebirge zu errichten. „Generell sehe ich keinen großen Vorteil, Windparks in den Bergen zu konstruieren“, erklärt Po Wen Cheng, Professor und Leiter des Lehrstuhls für Windenergie an der Universität Stuttgart, gegenüber EnergieWinde.

    In der Schweiz und in Österreich seien zwar Windparks in Höhen von 1900 bis 2500 Metern aufgestellt worden. „Da hatte man aber keine andere Wahl. In Deutschland hat man genug Fläche für Windenergieausbau“, so Cheng. Daher seien wirtschaftliche Vorteile nicht erkennbar. Auch seien die geeigneten Standorte am Alpenrand sehr begrenzt, das Potenzial daher „sehr überschaubar“.

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