Hafen-Staatsrat Kai Stührenberg

  • Search29.06.2024

Comeback-Versuch an der Weser

Bremerhaven will mit einem „Energy Port“ zum Umschlagplatz für saubere Energien wie Offshore-Wind und Wasserstoff werden. Ähnlich Pläne scheiterten vor Jahren vor Gericht. Hafen-Staatsrat Kai Stührenberg erklärt, wie es diesmal klappen soll.

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    Kai Stührenberg beurteilt die Chancen des geplanten EnergyPorts in Bremerhaven im Interview mit EnergieWinde als gut.

     

    Seit 2020 ist Kai Stührenberg Staatsrat bei der Bremer Wirtschaftssenatorin. Zunächst zuständig für die Themen Arbeit und Europa leitet der 59-jährige Linken-Politiker seit 2023 den Bereich Häfen und damit eines der wichtigsten Zukunftsthemen des Landes Bremen, zu dem auch die Stadt Bremerhaven gehört.

    Herr Stührenberg, die Stadt Bremerhaven möchte einen Teil des Hafens für die Offshore-Industrie freigeben. Was planen Sie konkret?
    Kai Stührenberg: Wir verfügen im südlichen Fischereihafen über ein 90 Hektar großes Areal, das freigeräumt ist und für das bereits entsprechendes Baurecht vorliegt. Dort könnte sofort gebaut werden, um optimale Möglichkeiten und Strukturen für Unternehmen zu schaffen, die Windkraftanlagen bauen und von hier aus in deutschen Gewässern installieren.

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    Wenn wir den Terminal damals wie geplant gebaut hätten, wären wir heute ein Hotspot der Energiewende

    Kai Stührenberg

    2013 wollte Bremerhaven bereits mit dem Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) einen Schwerguthafen für die Windkraftindustrie bauen, ist damit aber gescheitert. Woran lag es?
    Stührenberg: Richtig, aber wenn wir den Terminal damals wie geplant gebaut hätten, wären wir heute ein Hotspot der Energiewende. Der Standort war quasi schon vorbereitet auf den Hochlauf, den wir für die heutigen Klimaziele der Regierung dringend benötigen. Es gab viele Unternehmen und etwa 4000 Arbeitsplätze im Bereich Offshore. Aber dann sind unter einem Wirtschaftsminister Peter Altmaier die Ausbauziele stark gesunken, woraufhin wir einen Wegzug der Branche erlebt haben. Daneben hatten Natur- und Artenschützer gleich zu Beginn gegen die Pläne des Senats geklagt. Das Verfahren zog sich dann, bis das Verwaltungsgericht Bremen 2019 entschied, dass wir den OTB aufgrund der zu dem Zeitpunkt gesunkenen Ausbauziele und in Abwägung zum Naturschutz nicht brauchen.

    Warum sollte das neue Projekt Energy Port nun Erfolg haben?
    Stührenberg: Zum einen ist die Situation eine völlig andere: Wenn Deutschland bis 2045 Windkraftanlagen mit 70 Gigawatt Offshore-Leistung auf See stehen haben möchte, müssen wir die Offshore- und damit auch die Hafenkapazitäten hierzulande verdoppeln, wenn nicht sogar verdreifachen – also wenn es zeitlich klappen soll. Zum anderen haben wir uns einem anderen Ansatz verschrieben: Wir wollen mit dem Energy Port eine Anlegestelle vor dem Weserdeich schaffen, die wirklich nur so groß ist, wie es für eine Offshore-Nutzung oder den Wasserstoffimport nötig ist – auf keinen Fall mehr. Uns ist die Bedeutung des Naturschutzes völlig bewusst, weshalb dieses Projekt kleiner angelegt ist und wir auch bereits nach Ausgleichsflächen für die Wattbereiche suchen, die der Energy Port zusätzlich benötigen wird.

    Offshore-Wind: Die Karte zeigt wichtige Häfen an der deutschen Nord- und Ostsee und ihre Funktionen für den Bau von Offshore-Windparks. Infografik: Benedikt Grotjahn

    Es gibt auch andere deutsche Häfen, die auf Energiewende-Themen setzen, braucht es überhaupt noch einen weiteren Hafen?
    Stührenberg: Die Konkurrenz zwischen den Standorten ist vorhanden, das ist klar. Aber ich denke, dass sich die verschiedenen Energie-Themen im Moment ganz gut zwischen den deutschen Häfen aufteilen mit Wilhelmshaven im Bereich LNG sowie Rostock und Bremen bei den Konverter-Stationen. Aber in Anbetracht des immensen Bedarfs müsste es eigentlich ein klares Anliegen sein, neben Cuxhaven weitere Offshore-Standorte zu schaffen. Außerdem gehen die Pläne für den Energy Port ja darüber hinaus, da weitere Schwerpunkte, wie gegebenenfalls das Recycling von alten Anlagen, die Herstellung von Batterien und alternative Antriebsstoffe dazukommen werden. Und nicht zuletzt soll perspektivisch bei Bedarf auch der Umschlag von Wasserstoff und entsprechender Derivate eine Rolle spielen.

    Was sind die Standortvorteile in Bremerhaven?
    Stührenberg: Ein ganz großer Vorteil ist das vorhandene 90 Hektar große Areal im Hafen, das freigeräumt da liegt und für das bereits Baurecht besteht. Dort könnte also direkt losgelegt werden. Im Energy Port könnten wir die gesamte Wertschöpfungskette abbilden, von Produktion über Repowering bis hin zu Recycling, dadurch könnten mehr als 2500 Arbeitsplätze in einer strukturschwächeren Region entstehen. Hinzukommt, dass wir mit den vielen Forschungseinrichtungen vor Ort wie dem Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung, dem Fraunhofer-Institut für Windenergiesysteme oder dem DLR-Institut für den Schutz maritimer Infrastruktur und vielen anderen ein enormes wissenschaftliches Know-how vor Ort haben, mit dem Unternehmen Technologien weiterentwickeln können.

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    Bei so einem Projekt besteht ein Konflikt zwischen Klimaschutz und Naturschutz. Deshalb wollen wir eine gemeinsame Lösung finden

    Kai Stührenberg

    Woran hängt das Projekt noch?
    Stührenberg: Zunächst muss der Bremer Senat das Projekt genehmigen. Dann müssen die Investitionen geklärt werden und es dürfen keine langjährigen Klagen den Weg versperren. Aber daran arbeiten wir. Wir befinden uns bereits in guten Gesprächen mit dem BUND und NABU, um hier einen Kompromiss zu finden. Denn da muss man ehrlich sein: Bei so einem Projekt besteht ein Konflikt zwischen Klimaschutz und Naturschutz. Deshalb wollen wir eine gemeinsame Lösung finden. Klar ist aber auch, dass wenn wir den Klimaschutz nicht schaffen, der Naturschutz auch nicht weiterkommt. Denn nirgends lässt sich besser als an einem Küstenstandort wie Bremerhaven beobachten, wie Biodiversität verschwindet, wenn Flächen aufgrund des Klimas überschwemmt werden.

    Haben Sie Zusagen der Industrie?
    Stührenberg: Die Offshore-Firmen sagen: Wenn ihr jetzt fertig wäret, würden wir sofort kommen. Viele Unternehmen im Windkraft- und Energiebereich sind auf Expansionskurs und würden sich gerne in Bremerhaven ansiedeln. Aber die Unternehmen sagen eben auch zu uns: Wenn wir die Ausbauziele in der geplanten Zeit schaffen sollen, müssen wir unsere Kapazitäten und damit auch die Hafenflächen ausbauen. Wenn wir dies nicht jetzt angehen, werden die Unternehmen abwandern und die Wertschöpfungskette und das damit verbundene Einkommen für Staat, Unternehmen und Arbeitskräfte an Deutschland vorbeigehen. Unternehmen fällen Investitionsentscheidungen nur, wenn ein passender Hafenstandort da ist und nicht, wenn einer nur vielleicht kommen soll.

    Der Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB) ist vor Gericht gescheitert. Jetzt nimmt die Stadt mit dem EnergyPort einen Neuanlauf, um die Offshore-Windindustrie nach Bremerhaven zu locken.

    Am Deich standen 2016 bereits die Bauschilder für den Offshore-Terminal Bremerhaven (OTB). Doch das Projekt scheiterte letztlich vor Gericht.

    Wie soll der Energy Port finanziert werden?
    Stührenberg: Das geht natürlich nur mit einem Portfolio aus verschiedenen Investitionen. Schließlich sprechen wir von einer Summe von bestimmt 600 Millionen Euro für den Energy Port. Solche Gelder zusätzlich zu den Investitionen, die es für einen Hafen ohnehin regelmäßig bedarf, kann kein Bundesland alleine stemmen. Natürlich müssen auch die Unternehmen selbst investieren und wollen das aber auch. Aber in erster Linie müssen bei solchen Infrastrukturmaßnahmen Land und Bund Gelder freigeben, mit denen Hafenmauern, Anlegestelle und Fahrrinnen entsprechend ausgebaut werden können. Ohne Infrastrukturen geht es nicht. Bremen tut hier sein Möglichstes, aber der Bund ist ebenfalls in der Pflicht, da wir die Energiewende ja nicht regional begrenzt umsetzen, sondern für ganz Deutschland. Zumal auch andere EU-Staaten ihre Häfen aus nationalen Geldern fördern.

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    Wenn die Bundesregierung ihre Ziele wirklich ernst meint, dann muss dafür auch Geld bereitgestellt werden

    Kai Stührenberg

    Halten Sie das für realistisch?
    Stührenberg: Wenn die Bundesregierung ihre Ziele wirklich ernst meint, dann muss dafür auch Geld bereitgestellt werden. Wir sind dazu in Gesprächen mit Berlin, was sicherlich ob des schwierigen Bundeshaushaltes keine einfachen Gespräche sind. Da müssen wir noch gemeinsame Lösungen finden, aber auch vorhandene Förderprogramme voll ausschöpfen. Ich bin allerdings zuversichtlich, dass wir im Laufe des kommenden Jahres dafür einen guten Weg finden.

    Könnte man den Offshore-Ausbau in deutschen Gewässern nicht auch von fremden Unternehmen aus Häfen in Dänemark oder Großbritannien bestreiten lassen?
    Stührenberg: Damit würde sich Deutschland in eine Abhängigkeit begeben, die wir vermeiden sollten. Das stimmt auch nicht mit den Souveränitätsbestrebungen der Bundesrepublik überein. Daneben würden wir das Potenzial der Offshore-Technologie und die Möglichkeit verschenken, in diesem Bereich führend zu sein. Und nicht zuletzt würden wir das Beschäftigungspotenzial liegen lassen, das diese Branche über Jahrzehnte eröffnet. Wenn wir diese Chance nicht nutzen, um den sozialen Herausforderungen unserer Gesellschaft zu begegnen, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn Gruppierungen wie die AfD immer mehr an Kraft gewinnen.

    Die Fragen stellte Kathinka Burkhardt.

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