Fragmentierter Automarkt

  • Search10.09.2024

China lechzt nach E-Autos – viele andere Länder nicht

Während in China mehr E-Autos als Verbrenner verkauft werden, sinkt der Absatz in anderen Regionen. Die Produzenten stellt das vor ein Dilemma. Langfristig zeichnet sich allerdings ein klarer Trend ab.

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    Elektromodelle ID.Buzz und ID.3 bei einem Händler in China: Die Absätze des deutschen Herstellers auf dem wichtigsten Markt der Welt sind eingebrochen.

    Elektroautos von VW in Schanghai: Während der Autobauer in Deutschland mit Werksschließungen droht, investiert er massiv in China.

     

    Von Jörn Petring, Peking

    In der südchinesischen Stadt Shenzhen zeigt sich der Erfolg der chinesischen E-Auto-Politik an jeder Straßenkreuzung. Unzählige Fahrzeuge tragen das grüne Kennzeichen, das auf ein Elektroauto hinweist. Die traditionellen blauen Nummernschilder, die Verbrenner kennzeichnen, sind dagegen immer seltener zu sehen. Busse und Taxis fahren hier sogar schon seit Jahren zu 100 Prozent elektrisch.

    Shenzhen, das als Zukunftslabor Chinas gilt, mag weiter fortgeschritten sein als andere Städte, doch die Elektroauto-Revolution ist im ganzen Land im Gange. Der Juli markierte einen entscheidenden Wendepunkt: Zum ersten Mal kauften die Chinesen landesweit weniger Verbrenner als sogenannte NEVs (New Energy Vehicles), also Fahrzeuge mit Hybridantrieb oder vollelektrische Modelle. 879.000 solcher Fahrzeuge konnten die Hersteller absetzen, was einem Marktanteil von 50,8 Prozent entspricht. Das Wachstum ist rasant: Allein im ersten Halbjahr wurden in China 4,94 Millionen NEVs verkauft, was einem Zuwachs von 32 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

    Prognosen, die vorhersagen, dass China bis 2025 dauerhaft mehr E-Autos verkaufen wird als Verbrenner, scheinen sich somit zu bewahrheiten.

    Von langer Hand vorbereitet: Wie China die Elektromobilität fördert

    Die Regierung in Peking hat diese Entwicklung gezielt eingefädelt. Bereits vor mehr als einem Jahrzehnt begann sie, den Kauf von Elektroautos durch Subventionen zu unterstützen. Gleichzeitig wurde strategisch die Ladeinfrastruktur aufgebaut. Die Regierung erklärte die E-Auto-Industrie zu einer Schlüsselbranche und versorgte sie mit günstigen Krediten von staatlichen Banken.

    So entstanden Dutzende neue Hersteller, die sich ganz auf die Entwicklung von E-Autos konzentrieren. Auch Technologiekonzerne wie Xiaomi und Huawei mischten bald mit und brachten entweder eigene Autos oder Fahrzeuge in Partnerschaften mit traditionellen Herstellern auf den Markt. Noch sind die Gewinne klein, da der Wettbewerb intensiv ist. Doch die E-Autos verbreiten sich rasant.

    Technologieoffenheit im Alltag: Viele Chinesen probieren gern Neues aus

    Neben politischen Faktoren spielen hierbei auch kulturelle Unterschiede eine Rolle. In China ist das Vertrauen in neue Technologien oft größer, und Konsumenten bringen eine höhere Bereitschaft mit, sich auf den Wandel einzulassen. Das zeigt sich nicht nur bei E-Autos, sondern auch bei Themen wie Mobile Payment oder E-Commerce, die in China deutlich weiter verbreitet sind als in vielen westlichen Ländern.

    Ausländische Hersteller waren auf dem chinesischen Markt lange zu träge. Sie glaubten, dass sie die Oberhand behalten würden, auch im Zeitalter der E-Autos. Doch nun herrscht Panik. Tesla bleibt zwar eine der beliebtesten Marken bei den Chinesen. Aber praktisch alle anderen Hersteller aus dem Ausland sind ins Schwitzen geraten. Der Druck, bei der Entwicklung eigener Elektroautos aufzuholen, wächst, da gleichzeitig das einst sehr lukrative Geschäft mit Verbrennern in China rasant schrumpft.

    Pkw-Absatz in China: Chinesische Marken haben ausländische Marken inzwischen überrundet. Infografik: Andreas Mohrmann

    Der Marktanteil ausländischer Marken in China geht so rapide zurück. „Französische und südkoreanische Marken sind im Grunde bereits verschwunden, während deutsche, japanische und US-Marken schnell fallen“, schreibt Max Zenglein, Chef-Ökonom beim China-Institut Merics, in einer Analyse auf LinkedIn. „Es ist schwer, sich eine Wende vorzustellen, trotz der verzweifelten Bemühungen einiger Unternehmen, die auf eine Rückkehr zu vergangenem Ruhm auf dem chinesischen Markt hoffen“, so Zenglein weiter.

    Rückschlag im wichtigsten Markt der Welt: VW fährt in China hinterher

    Sehr deutlich wird die Lage am Beispiel Volkswagen. 2018 verkaufte der Hersteller noch mehr als vier Millionen Autos in China. Letztes Jahr waren es noch knapp drei Millionen, eine Schwelle, die in diesem Jahr laut Schätzungen nicht mehr erreicht werden wird. BYD verkaufte 2018 gerade einmal rund eine halbe Million Fahrzeuge. Nun ist der Hersteller an VW vorbeigezogen und dürfte in diesem Jahr an der Marke von vier Millionen Fahrzeugen kratzen.

    China ist der mit Abstand größte Automarkt der Welt. Allein im ersten Halbjahr 2024 wurden dort fast zehn Millionen Pkw verkauft. Mehr als die Hälfte davon waren E-Autos.

    In China wurden im ersten Halbjahr fast zehn Millionen Pkw verkauft. Damit ist das Land der mit Abstand größte Automarkt der Welt. Die USA kamen auf knapp acht Millionen Autos, Deutschland auf 1,5 Millionen.

    Während VW in China weiterhin stark investiert, um nach mehreren Fehlschlägen bei der Entwicklung endlich den lokalen Geschmack zu treffen – etwa mit smarter Technologie und Funktionen, die E-Autos zu einem „Smartphone auf Rädern“ machen sollen –, stehen in Deutschland harte Einschnitte bevor. Erstmals in der Geschichte des Unternehmens drohen Werksschließungen, was die Belegschaft und Gewerkschaften auf die Barrikaden treibt.

    BYD & Co. drängen auf ausländische Märkte – mit durchwachsenem Ergebnis

    Doch auch chinesische Hersteller stehen vor Problemen. Die Schlüsselfrage lautet hier: Finden ihre E-Autos tatsächlich Käufer auch im Ausland?

    Während in China E-Fahrzeuge gut ankommen, sind andere Regionen wie Europa und die USA deutlich zurückhaltender. Es droht eine Fragmentierung des globalen Marktes, die es für Hersteller schwierig macht, eine einheitliche Strategie zu entwickeln. Sie müssen auf verschiedenen Märkten unterschiedliche Produkte anbieten und ihre Investitionen entsprechend anpassen. Für chinesische Hersteller, die in China bereits hohe Marktanteile erreicht haben, könnte dies zum Stolperstein werden.

    BYD hängt Volkswagen ab: Der chinesische Elektro-Auto-Hersteller hat VW beim Absatz nach einer rasanten Aufholjagd überrundet. Infografik: Andreas Mohrmann

    „Die USA und die EU haben hohe Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge eingeführt, und die Märkte in Südamerika oder Südostasien sind begrenzt“, warnt der chinesische Auto-Analyst Zhong Shi im Gespräch mit EnergieWinde: „Ohne größere Absatzmärkte außerhalb Chinas könnten viele chinesische Hersteller in den kommenden Jahren nicht überleben.“

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    Ohne größere Absatzmärkte außerhalb Chinas könnten viele chinesische Hersteller in den kommenden Jahren nicht überleben

    Auto-Analyst Zhong Shi

    Die Geely-Tochter Volvo steuert um: Hybrid-Modelle bleiben länger im Angebot

    Bei Volvo, das zum chinesischen Geely-Konzern gehört, hat sich bereits ein Umdenken eingestellt. Volvo hat kürzlich seine Pläne zur vollständigen Umstellung auf Elektrofahrzeuge bis 2030 angepasst. Statt ausschließlich auf Elektrofahrzeuge zu setzen, plant das Unternehmen nun, dass bis 2030 etwa 90 Prozent der Verkäufe aus einer Mischung von Elektroautos und Plug-in-Hybriden bestehen werden. Die restlichen zehn Prozent könnten mild-hybride Modelle sein, abhängig von der Marktnachfrage.

    Volvo-Chef Jim Rowan erklärte, dass sich der Übergang langsamer vollzieht als ursprünglich erwartet. Gründe dafür seien die schwächere Nachfrage nach reinen Elektroautos in einigen Märkten sowie der Wegfall von Subventionen.

    Neben Zöllen gibt es eben noch ganz andere Herausforderungen für chinesische Elektroautos auf westlichen Märkten. Schon bevor die Zölle eingeführt wurden, war das Interesse an chinesischen Elektrofahrzeugen in Europa und den USA überschaubar. „Konsumenten im Westen zeigen nicht denselben Enthusiasmus für Elektroautos wie in China“, sagt Autoexperte Zhong Shi.

    Das plötzliche Aus des Umweltbonus hat Folgen: Der Absatz bricht ein

    Besonders in Deutschland hat die Nachfrage stark nachgelassen, nachdem die Bundesregierung im vergangenen Jahr die Kaufprämien für gewerbliche Elektroautos gestrichen und im Herbst überraschend auch die Förderung für private Käufer eingestellt hat. Daraufhin brachen die Verkaufszahlen ein. Im August wurden nur noch 27.024 neue batterieelektrische Pkw (BEV) zugelassen, was einem Rückgang von 68,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat entspricht. Auch im Vergleich zum Juli sanken die Zulassungen um zwölf Prozent.

    In den USA, dem zweitgrößten Automarkt der Welt nach China, stagniert die Nachfrage nach Elektrofahrzeugen ebenfalls. Hohe Anschaffungskosten, verstärkt durch hohe Zinsen und teure Leasingraten, sowie Bedenken hinsichtlich Reichweite und Ladeinfrastruktur bremsen den Verkauf.

    In vielen Märkten fehlen Ladesäulen. Das bremst den E-Auto-Absatz

    Die Ladeinfrastruktur bleibt laut Zhong Shi ein globales Problem. Während China dieses durch staatliche Planung und Investitionen gelöst habe, sei es für andere Länder schwer, diesen Ansatz zu kopieren. Dies würde das Wachstum von Elektroautos weltweit verlangsamen.

    Hunderte E-Autos von SAIC MG warten in der ostchinesischen Provinz Jiangsu auf den Export.

    Hunderte E-Autos von SAIC MG warten in der ostchinesischen Provinz Jiangsu auf den Export.

    „In China wird ein Plan gemacht und dann umgesetzt. In Deutschland oder Europa können wir uns nicht darauf verlassen, dass das heute Gesagte morgen noch gilt“, beschreibt ein deutscher Manager in China den Unterschied. Während China sich vor vielen Jahren klar für Elektroautos entschieden habe und diesen Kurs konsequent verfolge, werde in Deutschland bereits wieder diskutiert, ob diese Technologie überhaupt sinnvoll ist. Das verunsichere die Verbraucher.

    Haben West-Marken in China noch eine Chance? Ja, sagt Chinas Autoverbandschef

    Jedoch gibt es in China auch optimistische Stimmen. „Wir glauben, dass die Welt definitiv eine Elektrifizierung wie in China erreichen wird“, sagt Cui Dongshu, Generalsekretär des chinesischen Autoverbands CPCA, gegenüber EnergieWinde. So werde China etwa in Entwicklungsländern durch die Förderung der Elektrifizierung zur Verbreitung von Elektrofahrzeugen beitragen.

    Die derzeitige Verzögerung bei der Entwicklung von Elektrofahrzeugen in Europa und den USA sei hauptsächlich „auf politische Schwankungen“ zurückzuführen, meint Cui. Die Dinge gingen nicht so geradlinig wie in China. Jedoch würde sich in den westlichen Gesellschaften letztendlich der Gedanke des Umweltschutzes durchsetzen.

    Auch auf dem chinesischen Markt sieht Cui vor allem die deutschen Hersteller nicht vor dem Aus. „Viele dieser Unternehmen haben ein tiefes technologisches Fundament, das es ihnen ermöglicht, den Übergang zu Elektrofahrzeugen erfolgreich zu meistern“, meint er. Auch der Schienenverkehr habe sich weltweit bereits vor langer Zeit elektrifiziert. Es sei unwahrscheinlich, dass Autos diesem Trend nicht folgen würden.

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