Globaler Automarkt

  • Search14.06.2024

Warum Strafzölle Chinas E-Autos nicht stoppen werden

Die EU und die USA wollen Chinas E-Auto-Offensive ausbremsen. Umso intensiver treiben Hersteller wie BYD ihre Expansion im globalen Süden voran. Unter den richtigen Bedingungen könnte das dem Klima helfen.

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    Die „BYD Explorer No. 1“ am Kai in Bremerhaven: China ist auf dem Weg zur Exportmacht für Elektroautos.

     

    Von Jörn Petring, Peking

    Als der Autofrachter „BYD Explorer No. 1“ Mitte Januar voll beladen den Hafen von Shenzhen verließ, war das ein ganz besonderer Tag für die südchinesische Metropole. „Dies markiert den Beginn einer Ära“, hieß es auf der Website der Stadtregierung. Und das war vermutlich nicht einmal übertrieben.

    Das Schiff steht im Dienst des Shenzhener Konzerns BYD, dem mittlerweile größten E-Auto-Hersteller der Welt. Tausende Elektroautos an Bord nahmen Kurs auf Bremerhaven, wo sie einige Wochen später eintrafen.

    Die „Explorer No. 1“ ist nur eines von vielen Schiffen, das BYD und andere chinesische Hersteller künftig Richtung Europa schicken wollen. Der Vorstoß blieb in Brüssel nicht unbemerkt. Derzeit sieht es ganz danach aus, dass die EU schon bald Strafzölle für chinesische E-Autos einführen wird. Die EU-Kommission teilte in dieser Woche mit, dass Zölle von bis zu 38,1 Prozent für chinesische Hersteller anfallen könnten. Ob diese tatsächlich gezahlt werden müssen, hänge davon ab, ob mit China eine andere Lösung gefunden werden kann.

    „China verzerrt den Markt“: Die EU wehrt sich gegen subventionierte Importe

    Im Raum steht für BYD ein Zoll von 17,4 Prozent, für Geely von 20 Prozent und für SAIC 38,1 Prozent. Für andere Hersteller sind zwischen 21 und 38,1 Prozent vorgesehen. Die EU untersucht seit dem vergangenen Herbst, ob E-Autos in China von wettbewerbsverzerrenden Subventionen profitieren. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte bei der Bekanntgabe der Untersuchung: „Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt – das verzerrt unseren Markt.“

    Der Schritt der EU folgt auf ähnliche Maßnahmen der USA. Die Amerikaner hatten Mitte April Sonderzölle auf Elektroautos, Halbleiter, Solarzellen, Kräne und andere Produkte aus China verhängt. Washington wirft Peking ebenfalls vor, den Wettbewerb durch erhebliche Subventionen zu verzerren. Chinesische Billigprodukte würden gezielt in die USA und nach Europa gelenkt.

    Peking bestreitet das und argumentiert, die Branchen seien durch Innovation getrieben. Zudem trage China damit zum Kampf gegen den Klimawandel bei.

    Die USA und Europa sind große Absatzmärkte – aber nicht die einzigen

    Der Zollstreit mag zu hitzigen Wortgefechten führen. Doch klar ist auch: China wird seine Ambitionen, zu einer Exportgroßmacht von E-Autos zu werden, nicht an den Nagel hängen. Zwar mögen derzeit die USA und Europa nach China die Märkte sein, auf denen Autobauer die meisten Elektrofahrzeuge absetzen können. So prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA), dass in diesem Jahr 10,1 Millionen Elektrofahrzeuge in China, 3,4 Millionen in Europa und 1,7 Millionen in den USA verkauft werden. Weniger als 1,5 Millionen Elektrofahrzeuge gehen in den Rest der Welt.

    Doch das dürfte sich schon bald ändern: So sagt die IEA auch voraus, dass die globale Flotte von Elektrofahrzeugen bis 2030 auf etwa 240 Millionen wachsen wird. Dies impliziert jährliche weltweite Verkäufe von 20 Millionen Autos im Jahr 2025 und 40 Millionen im Jahr 2030, oder 30 Prozent aller Autoverkäufe. Ein immer größerer Teil dieses Wachstums wird wahrscheinlich aus neuen Märkten im globalen Süden kommen.

    Elektroauto von BYD an einer Ladesäule in Brasilien: Wo früher Ford und Mercedes produzierten, laufen jetzt chinesische Fabrikate vom Band.

    Elektroauto in Brasilien: Wo früher Ford und Mercedes produzierten, laufen jetzt chinesische Fabrikate vom Band.

    Hier läuft es für die chinesischen Hersteller deutlich besser. Oft werden ihre Investitionen mit offenen Armen empfangen. Die Wiederbelebung eines Automobilwerks im armen Nordosten Brasiliens symbolisiert den globalen Aufstieg Chinas und den Rückzug des Westens.

    BYD hat kürzlich eine alte Fabrik in Camaçari übernommen, die vom amerikanischen Automobilhersteller Ford aufgegeben wurde. Als Luiz Inácio Lula da Silva, der Präsident Brasiliens, letztes Jahr China besuchte, traf er sich mit BYDs milliardenschwerem Gründer und Vorsitzenden Wang Chuanfu, um den Deal einzufädeln. Nach diesem Treffen wählte BYD das Land als Standort für sein erstes Automobilzentrum außerhalb Asiens.

    Noch dieses Jahr soll die Produktion von Elektro- und Hybridfahrzeugen beginnen. Zusätzlich sollen am Standort Bus- und Lkw-Chassis hergestellt und Batteriematerialien verarbeitet werden.

    Auch Great Wall expandiert in Brasilien – an einem früheren Mercedes-Standort

    Der chinesische Hersteller und BYD-Konkurrent Great Wall investiert ebenfalls stark in Brasilien. Schon vor Jahresende soll die Produktion in einem ehemaligen Mercedes-Benz-Werk beginnen. Brasilien, der sechstgrößte Automarkt der Welt, ist bei der Elektrifizierung zwar noch relativ langsam, aber es gibt bereits Anzeichen eines Wandels.

    Im vergangenen Jahr verdoppelten sich die Verkäufe von Elektrofahrzeugen in Brasilien fast, und in den letzten Monaten überholte das Land Belgien als größtes einzelnes Exportziel für chinesische Elektrofahrzeuge. Chinesische Marken sind dort auch dank massiver Werbekampagnen bekannt. BYD trat als Sponsor beim Copa América, dem wichtigsten Fußballturnier Südamerikas, auf.

    Das neue Werk in Brasilien ist keine Ausnahme – es reiht sich in eine Welle von Investitionen chinesischer Unternehmen in Lieferketten für Elektrofahrzeuge in den wichtigsten Entwicklungsländern ein.

    Thailand, Indonesien, Afrika: Nach und nach erobert China neue Märkte

    Im dritten Quartal soll ein BYD-Werk in Thailand mit einer Kapazität von 150.000 Fahrzeugen die reguläre Produktion aufnehmen. BYD sagte Anfang dieses Jahres, dass es 1,3 Milliarden US-Dollar in eine EV-Fabrik in Indonesien investieren würde. Auch in Afrika arbeiten BYD und andere chinesische Hersteller an zahlreichen Kooperationen.

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    Wir glauben, dass die Position der chinesischen Automobilunternehmen auf dem internationalen Markt bei Weitem nicht ihrer Marktkraft entspricht

    Cui Dongshu, Generalsekretär des chinesischen Autoverbandes CPCA

    „Insgesamt gibt es noch viele Exportmöglichkeiten“, sagt der chinesische Autoanalyst Zhong Shi im Gespräch mit EnergieWinde. Ähnlich sieht es auch Cui Dongshu, Generalsekretär des chinesischen Autoverbandes CPCA. „Wir glauben, dass die Position der chinesischen Automobilunternehmen auf dem internationalen Markt bei Weitem nicht ihrer Marktkraft entspricht“, so Cui gegenüber EnergieWinde. „Das Entwicklungspotenzial sollte extrem groß sein.“

    Die Ökobilanz hängt vom Strommix ab – und der wird grüner

    Natürlich lässt sich die Frage, ob ein globaler Boom günstiger chinesischer E-Autos auch gleichzeitig gut für das Klima ist, nicht pauschal beantworten: Der ökologische Fußabdruck eines Elektroautos hängt stark davon ab, wie der Strom erzeugt wird, der zum Laden der Batterien verwendet wird. In Regionen, in denen der Strom hauptsächlich aus erneuerbaren Energien stammt, sind Elektroautos umweltfreundlicher. Das Gleiche gilt auch für die Produktion von E-Autos.

    Hier macht China selbst deutliche Fortschritte. Zwar ist das Land noch immer der größte Verbraucher von Kohle, nirgends sonst auf der Welt werden aber auch die erneuerbaren Energien so rasant ausgebaut. Langfristig dürften E-Autos aus China damit immer klimaverträglicher werden. Doch baut China Produktionsstätten in Ländern des globalen Südens, müsste auch dort sichergestellt werden, dass sowohl die Produktion als auch das Laden der Fahrzeuge vornehmlich mit erneuerbarer Energie vonstattengeht.

    Äthiopien verbietet die Einfuhr von Autos mit Verbrennungsmotor: Das Land setzt voll auf die Elektromobilität.

    Verkehr im äthiopischen Addis Abeba: Das Land will alte Verbrenner von der Straße verdrängen.

    Das Beispiel Äthiopien zeigt, dass eine konsequente Umstellung auf Elektrofahrzeuge mehrere Vorteile haben kann. Dank großer Wasserkraftwerke und dem fast fertiggestellten „Great Ethiopian Renaissance Dam“ wird es bald reichlich günstigen Strom geben.

    Die Regierung fördert deshalb den Umstieg auf Elektroautos. Kürzlich wurde entschieden, dass keine Verbrennungsmotoren mehr importiert werden dürfen. Da Äthiopien keine eigene Autoindustrie hat, bedeutet dies ein sofortiges Verkaufsverbot für Verbrenner.

    Äthiopien verbietet die Einfuhr von Verbrennern – und fördert E-Autos

    So sollen alte, umweltschädliche Autos aus Europa von den Straßen entfernt werden. Der Markt ist riesig: Auf 126 Millionen Einwohner kommen derzeit nur etwa 1,2 Millionen Fahrzeuge. Jedes neue Auto wird ein Elektroauto sein. Da chinesische Hersteller die günstigsten Fahrzeuge anbieten, haben sie gute Chancen, den Markt zu dominieren.

    Sollten die Strafzölle kommen, dürfte der Import chinesischer E-Autos wie hier in Bremerhaven deutlich zurückgehen.

    Sollten die Strafzölle kommen, dürfte der Import chinesischer E-Autos wie hier in Bremerhaven deutlich zurückgehen.

    In Europa müssen sich Käufer laut dem Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW Kiel) im Falle von Strafzöllen dagegen auf noch höhere Preise einstellen. Sollte die EU die Importe chinesischer Elektroautos wie gemutmaßt einschränken, hätte dies „spürbare Auswirkungen auf den bilateralen Handel und die Produktion in Europa“, schlussfolgert das Institut. Die Menge importierter E-Autos aus China würde um 25 Prozent zurückgehen.

    Umgerechnet auf die fast 500.000 Fahrzeuge, die 2023 importiert wurden, entspricht dies etwa 125.000 Stück im Wert von fast vier Milliarden US-Dollar. Der Rückgang würde in großen Teilen durch eine steigende Produktion innerhalb der EU sowie eine geringere Menge an E-Auto-Exporten aufgefangen, „was dann spürbar höhere Preise für Endverbraucher bedeuten dürfte“, so das IfW.

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