Die „BYD Explorer No. 1“ am Kai in Bremerhaven: China ist auf dem Weg zur Exportmacht für Elektroautos.
Von Jörn Petring, Peking
Als der Autofrachter „BYD Explorer No. 1“ Mitte Januar voll beladen den Hafen von Shenzhen verließ, war das ein ganz besonderer Tag für die südchinesische Metropole. „Dies markiert den Beginn einer Ära“, hieß es auf der Website der Stadtregierung. Und das war vermutlich nicht einmal übertrieben.
Das Schiff steht im Dienst des Shenzhener Konzerns BYD, dem mittlerweile größten E-Auto-Hersteller der Welt. Tausende Elektroautos an Bord nahmen Kurs auf Bremerhaven, wo sie einige Wochen später eintrafen.
Die „Explorer No. 1“ ist nur eines von vielen Schiffen, das BYD und andere chinesische Hersteller künftig Richtung Europa schicken wollen. Der Vorstoß blieb in Brüssel nicht unbemerkt. Derzeit sieht es ganz danach aus, dass die EU schon bald Strafzölle für chinesische E-Autos einführen wird. Die EU-Kommission teilte in dieser Woche mit, dass Zölle von bis zu 38,1 Prozent für chinesische Hersteller anfallen könnten. Ob diese tatsächlich gezahlt werden müssen, hänge davon ab, ob mit China eine andere Lösung gefunden werden kann.
„China verzerrt den Markt“: Die EU wehrt sich gegen subventionierte Importe
Im Raum steht für BYD ein Zoll von 17,4 Prozent, für Geely von 20 Prozent und für SAIC 38,1 Prozent. Für andere Hersteller sind zwischen 21 und 38,1 Prozent vorgesehen. Die EU untersucht seit dem vergangenen Herbst, ob E-Autos in China von wettbewerbsverzerrenden Subventionen profitieren. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte bei der Bekanntgabe der Untersuchung: „Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt – das verzerrt unseren Markt.“
Der Schritt der EU folgt auf ähnliche Maßnahmen der USA. Die Amerikaner hatten Mitte April Sonderzölle auf Elektroautos, Halbleiter, Solarzellen, Kräne und andere Produkte aus China verhängt. Washington wirft Peking ebenfalls vor, den Wettbewerb durch erhebliche Subventionen zu verzerren. Chinesische Billigprodukte würden gezielt in die USA und nach Europa gelenkt.
Peking bestreitet das und argumentiert, die Branchen seien durch Innovation getrieben. Zudem trage China damit zum Kampf gegen den Klimawandel bei.
Die USA und Europa sind große Absatzmärkte – aber nicht die einzigen
Der Zollstreit mag zu hitzigen Wortgefechten führen. Doch klar ist auch: China wird seine Ambitionen, zu einer Exportgroßmacht von E-Autos zu werden, nicht an den Nagel hängen. Zwar mögen derzeit die USA und Europa nach China die Märkte sein, auf denen Autobauer die meisten Elektrofahrzeuge absetzen können. So prognostiziert die Internationale Energieagentur (IEA), dass in diesem Jahr 10,1 Millionen Elektrofahrzeuge in China, 3,4 Millionen in Europa und 1,7 Millionen in den USA verkauft werden. Weniger als 1,5 Millionen Elektrofahrzeuge gehen in den Rest der Welt.
Doch das dürfte sich schon bald ändern: So sagt die IEA auch voraus, dass die globale Flotte von Elektrofahrzeugen bis 2030 auf etwa 240 Millionen wachsen wird. Dies impliziert jährliche weltweite Verkäufe von 20 Millionen Autos im Jahr 2025 und 40 Millionen im Jahr 2030, oder 30 Prozent aller Autoverkäufe. Ein immer größerer Teil dieses Wachstums wird wahrscheinlich aus neuen Märkten im globalen Süden kommen.