Abendrot im Windpark Borkum-Riffgrund 1: Mit dem Bau der Anlagen weit draußen auf See haben die Betreiber Neuland betreten.
BSH und Offshore-Wind
- 10.10.2017
Auf sicherem Grund
Von Carola Felchner
Der Mensch nutzt das Meer seit Jahrtausenden. Doch während es früher hauptsächlich der Ernährung und als Transportweg diente, haben sich die Gewässer längst zu einem Wirtschaftsraum entwickelt, um den verschiedenste Nutzer konkurrieren. Schließlich werden allein über die Nordsee gut 15 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aller EU-Länder erwirtschaftet. Schifffahrt und Fischerei fordern genauso ihren Platz wie Öl- und Gaskonzerne, das Militär, die Landwirtschaft oder der Tourismus.
In Zeiten der Energiewende ist ein weiterer Akteur hinzugekommen: die Offshore-Windkraft. Und auch deren Platzbedarf ist mit ein paar Hundert Hektar je Windpark nicht gerade gering.
Damit es in Nord- Ostsee nicht zugeht wie im Wilden Westen, braucht es daher klare Regeln. Denn es sind eine ganze Menge verschiedener Bereiche, Interessen und Anforderungen, die untereinander und mit dem Naturschutz in Einklang gebracht werden müssen.
Im Fall von Offshore-Windparks ist dafür das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) verantwortlich – zumindest sofern sie außerhalb der Zwölf-Seemeilen-Zone liegen, in der die Bundesländer zuständig sind. Doch diese Gebiete spielen aufgrund der geografischen Gegebenheiten in Deutschland eine untergeordnete Rolle.
Das BSH mit Dienststellen in Hamburg und Rostock ist eine dem Verkehrsministerium untergeordnete Bundesbehörde. Seit dem Bau des ersten deutschen Offshore-Windparks Alpha Ventus im Jahr 2001 hat sie insgesamt 34 Genehmigungen erteilt.
Das Bundesamt für Seeschiffahrt und Hydrographie in Hamburg: Seit dem Bau des ersten deutschen Windparks 2001 sind die Aufgaben der Behörde gewachsen.
Vier weitere Projekte erhielten in diesem Jahr nach dem neuen Ausschreibungsmodell von der Bundesnetzagentur einen Zuschlag. Sie bereitet nun die Anträge für das Planfeststellungsverfahren vor. Das ist für die Genehmigung von Stromleitungen gesetzlich vorgeschrieben. Und die zu verlegen ist eine große Herausforderung. Schließlich müssen sie den Strom über 100 Kilometer oder mehr transportieren.
Das BSH prüft die Umweltauswirkungen der Offshore-Windparks draußen auf See
Wer einen Offshore-Windpark bauen möchte, braucht neben langen Leitungen aber auch einen langen Atem. „Bei großen Projekten können teilweise zirka zweieinhalb Jahre erforderlich sein, um die Beteiligungsverfahren durchzuführen, alle Unterlagen zu prüfen, um Gutachten einzuholen und eine abschließende Abwägung vorzunehmen“, sagt Niels Peters vom BSH in Hamburg im Gespräch mit EnergieWinde. Denn das in der Seelagenverordnung geregelte Verfahren sei ein mehrstufiger Prozess, in dem zahlreiche Parameter geprüft und verschiedene Stellen informiert werden müssten.
Erschwerend kommt hinzu, dass einige relevante Faktoren noch nicht ausreichend erforscht sind. Deutsche Windparks stehen mit im Schnitt 70 Kilometern Entfernung deutlich weiter weg von der Küste und in tieferem Wasser als viele Anlagen in anderen Ländern. Und dort haben vermutlich sie andere Auswirkungen auf die Umwelt. Relevante Daten sammelt das BSH zum Beispiel an bereits bestehenden Parks wie Alpha Ventus in der Nordsee.
Um dem rasanten Ausbau der Offshore-Windkraft und ihrer gewachsenen wirtschaftlichen Bedeutung gerecht zu werden, hat sich das BSH erst Anfang des Monats intern neu aufgestellt. Zuständig ist jetzt die Fachabteilung „Ordnung des Meeres“, in der die bisherigen Arbeitsbereiche aufgegangen sind. Der Schritt sei nötig gewesen, weil der Gesetzgeber der Behörde zwei neue Aufgaben zugeteilt habe, heißt es in einer Mitteilung des BSH: die Erstellung eines Flächenentwicklungsplans für Offshore-Windräder und die Voruntersuchung von dafür geeigneten Flächen. Geprüft wird dabei unter anderem, ob es Probleme hinsichtlich Umweltschutz oder Schifffahrt geben könnte.
Das Genehmigungsverfahren gliedert sich in fünf Hauptphasen
- Phase 1
Der Antragsteller reicht seinen Projektantrag beim BSH ein. Es überprüft und ob die Angaben detailliert genug sind. Falls nicht, muss nachgebessert werden. Das BSH legt dann die Antragsdokumente öffentlich aus und informiert so die Träger öffentlicher Belange (zum Beispiel Umweltbundesamt oder Wasser- und Schifffahrtsdirektionen) sowie Öffentlichkeit und Interessensverbände (Fischereiverbände, Naturschutzbund etc.), damit sie dazu Stellung nehmen können. Die Küstenbundesländer werden ebenfalls eingebunden, auch deshalb, weil sie Kabeltrassen und Netzanbindung genehmigen müssen.
- Phase 2
Ist der schriftliche Antrag in Ordnung, präsentiert der Antragsteller sein Projekt auf einer Antragskonferenz, dem sogenannten Scopingtermin. Auf Basis dieser Vorstellung legt das BSH den Untersuchungsrahmen fest, zum Beispiel bezüglich der Auswirkungen auf die Umwelt und Schifffahrt.
- Phase 3
Das BSH informiert den Antragssteller, welche Gutachten er erstellen (lassen) muss. Wichtige Dokumente sind zum Beispiel die Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) mit Fachgutachten, eine Risikoanalyse zur Darstellung der Kollisionsgefahr zwischen einem Schiff und den Offshore-Windenergieanlagen und eine Fauna-Flora-Habitat-Verträglichkeitsprüfung (FFH). Diese Untersuchungen führt der Vorhabensträger nach den Vorgaben der BSH-Standards durch. Darüber hinaus muss der Antragsteller umfangreiche technische Unterlagen (Baugrund, technisches Design, meteorologische/ozeanographische Bedingungen etc.) zur Verfügung stellen.
- Phase 4
Die vervollständigten Unterlagen werden vom BSH für die Träger öffentlicher Belange, Verbände und Öffentlichkeit erneut ausgelegt. Anschließend findet ein Erörterungstermin statt, bei dem alle Akteure die bisherigen Erkenntnisse und Auswirkungen des Projekts diskutieren und gegebenenfalls Unterlagen nachfordern können. Dies alles bildet die Grundlage, auf der das BSH prüft, ob die Voraussetzungen für eine Genehmigung beziehungsweise einen Planfeststellungsbeschluss gegeben sind. - Phase 5
In diesem letzten Schritt geht es weniger darum, ob der Offshore-Windpark gebaut wird, sondern wie. Denn mit der Planfeststellung treten verschiedene, standardisierte Nebenbestimmungen in Kraft, die zum Beispiel die Sicherheit des Baubetriebs, den Stand der Technik, die Ausrüstung der Baustelle sowie die Baustoffe festlegen. Die Betreiber sind verpflichtet, dem BSH entsprechende Baustellenprotokolle vorzulegen, auf Basis derer die entsprechenden Baufreigaben erteilt werden.
Die Genehmigung ist ein langwieriges Verfahren – aber immerhin zumindest vergleichsweise günstig. Während der Bau eines Offshore-Windparks im Schnitt eine Milliarde Euro oder mehr kostet, kann das BSH maximal 4,8 Millionen Euro an Gebühren erheben.