Für Marta Mituta sind diese Zahlen trotzdem ein gutes Zeichen. „Im vergangenen Jahr gab es sowohl bei den Gleich- als auch bei den Wechselstromvorhaben große Fortschritte in den Genehmigungsverfahren“, erklärt die Sprecherin der Bundesnetzagentur gegenüber EnergieWinde. Gerade bei den großen Projekten Suedlink, Suedostlink und Ultranet löst sich der Stau demnach allmählich auf.
Die Akzeptanz ließe sich verbessern: indem die Bürger früh ins Boot geholt werden
Tatsächlich seien die Stromnetze nicht mehr das größte Problem der Energiewende, sagt Ingrid Nestle, energiepolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Das liege aber weniger an den Fortschritten bei den Leitungen als an der Stagnation auf einem anderen Feld: „Mittlerweile ist der Ausbau von Wind an Land leider noch langsamer als der der Stromnetze“, erklärt Nestle im Gespräch mit EnergieWinde. Die Probleme der Windenergie könnten aber nicht verdecken, dass auch der Netzausbau beschleunigt werden müsse.
Die Gründe für den zähen Fortschritt seien vielfältig: Mancherorts fehle es an Akzeptanz, an politischer Rückendeckung und am Kooperationswillen. „Oft geht viel Zeit mit grundsätzlicher Ablehnung verloren“, sagt Nestle. Am Ende gibt es Frust bei den Bürgern und Verzögerungen beim Bau. „Wichtig ist vor allem die Unterstützung der Politik vor Ort.“ Denn meist wüssten die Menschen in den betroffenen Regionen am besten, wo die Hochspannungsleitungen verlegt werden sollten. Der Netzausbau dürfe zudem nicht erst dann zum Thema werden, wenn die Bauarbeiter anrücken, sagt Nestle.
Das deckt sich mit der Beobachtung von Konfliktberatern. Viel zu oft gingen die Planer nach einer Methode vor, die der Mediator Markus Troja einen „Dead Approach“ nennt: „Decide, announce, defend“ („Entscheiden, verkünden, verteidigen“). Statt in einem frühen Stadium ergebnisoffen über Pläne für Infrastrukturprojekte zu informieren, würden die Vorhaben durchgeplant und verkündet, erklärt Troja im Interview mit EnergieWinde.
Der grobe Verlauf von Suedlink steht fest: ein Korridor von 1000 Metern Breite
Ein Teil der aktuellen Verzögerungen sei der Coronakrise geschuldet, sagt Bundesnetzagentur-Sprecherin Mituta. Antragskonferenzen mussten durch langwierige schriftliche Verfahren ersetzt werden, Betroffene können schwerer kontaktiert werden. Dabei sind die Vorbehalte gegen die Pläne nicht weniger geworden. Bundesweit gibt es Bürgerinitiativen gegen die Stromtrassen. Sie fürchten Auswirkungen auf das Landschaftsbild oder die Tier- und Pflanzenwelt. Landwirte fordern einen Ausgleich für Erdkabel, die das Wachstum auf ihren Äckern beeinträchtigen könnten.
Protest regt sich unter anderem gegen den Suedlink, eine der Hauptadern des Stromnetzes. Trotzdem werden auch hier die Planungen immer konkreter. „Zuletzt haben wir einen Trassenkorridor für den letzten Abschnitt festgelegt“, sagt Mituta. Damit steht der grobe Verlauf der Stromautobahn fest. Rund 700 Kilometer Stromleitungen sollen den Windstrom künftig via Erdkabel von Schleswig-Holstein über Niedersachsen, Thüringen und Hessen bis nach Bayern und Baden-Württemberg transportieren. Der jetzt festgelegte Trassenkorridor ist rund 1000 Meter breit. In ihm sollen die Leitungen später verlegt werden. 2026 soll Suedlink fertig sein, geplant war einmal 2022. Suedostlink von Sachsen-Anhalt bis Bayern soll 2025 in Betrieb gehen.