Mieterstrom

  • Search13.04.2022

Komplizierte Energiewende auf dem Dach

PV-Anlagen auf Mietshäusern könnten der Energiewende einen Schub geben. Doch die Regelungen sind kompliziert, und das Osterpaket ändert daran wenig. Dabei gäbe es einen Weg, den Ausbau zu entfesseln.

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    Mieterstrom: Auf diesem Wohnblock in Potsdam erzeugen Solarmodule Strom, den die Mieter günstig kaufen können. Bundesweit wird das Modell allerdings kaum genutzt.

    Solarmodule auf einem Wohnblock in Potsdam: Das Potenzial von Mietshäusern in Deutschland bleibt weitgehend ungenutzt.

     

    Von Angelika Nikionok-Ehrlich

    Bürger an der Energiewende beteiligen, diese Möglichkeit sollte das Mieterstromgesetz von 2017 schaffen. Denn während sich Hauseigentümer längst Solaranlagen zulegen und mit dem Ökostrom Geld sparen konnten, hatten Mieter diese Chance bis dato nicht. Das war nicht nur ärgerlich für Mieter, sondern auch schlecht für die Energiewende, denn das Potenzial an Dachflächen auf Mietshäusern ist riesig.

    Um das zu ändern, führte das Gesetz den sogenannten Mieterzuschlag ein. Er soll Vermietern einen Anreiz bieten, Solarmodule zu installieren und den Strom daraus ihren Mietern günstig anzubieten. Der Tarif muss mindestens zehn Prozent unter dem des Grundversorgers liegen. Um die Kosten der Vermieter zu kompensieren, erhalten sie 20 Jahre lang einen Zuschlag, der mit der Zeit sinkt.

    Gut gemeint, aber zu kompliziert: Das Mieterstromgesetz ist ein Flop

    Doch das Gesetz erwies sich als wenig wirtschaftlich und im Detail zu aufwändig. So lag der Mieterstromzuschlag für neue Anlagen Anfang 2021 nur zwischen 3,79 Cent je Kilowattstunde für kleinere Anlagen und 2,37 Cent für größere. Erzeugen die Module mehr Strom, als die Mieter brauchen, fließt der Überschuss ins Netz und wird vergütet. Die Größe einzelner Anlagen ist mit 100 Kilowatt ebenso gedeckelt wie die Installationen insgesamt mit 500 Megawatt. Zudem sind Mieter nicht verpflichtet, ihrem Vermieter den Strom abzukaufen, sie können ihren Anbieter frei wählen.

    Das Fazit im Monitoringbericht der Bundesregierung von 2019 war entsprechend ernüchternd: „Insgesamt zeigt sich, dass der bisherige Zubau von Mieterstromanlagen mit rund 14 Megawatt deutlich hinter den Erwartungen bleibt.“

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    Viele Vermieter scheuen sich, Anlagen zu installieren, weil sie Betriebs- und Berichtspflichten gegenüber den Behörden übernehmen müssen

    Monika Meves, Energieberatung der Stadt Leichlingen

    „Der Mieterstrom ist rechtlich kompliziert. Viele Vermieter scheuen sich, Anlagen zu installieren, weil sie Betriebs- und Berichtspflichten gegenüber den Behörden übernehmen müssen. Dazu gehört zum Beispiel, die Stromversorgung bei Ausfällen sicherzustellen“, sagt Monika Meves, bei der Stadt Leichlingen (NRW) zuständig für Klimaschutzmanagement und Energieberatung, im Gespräch mit EnergieWinde. Ein Hindernis sei auch, dass die Immobilienbesitzer als Stromlieferanten zusätzliche Gewerbesteuer zahlen müssen.

    Mit der Einführung des Mieterstrommodells wollte die Bundesregierung 2017 Mieter an den Vorzügen der Energiewende teilhaben lassen. Doch die Regelungen erwiesen sich als zu kompliziert.

    Mieterstrom-Projekt von BürgerEnergie Berlin: Mit einem Mietwohnungsanteil von 85 Prozent wäre die Stadt prädestiniert für weiteren Ausbau.

    Immerhin: Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) von 2021 gab es einige Verbesserungen. Vor allem wurde der Mieterstromzuschlag erhöht. Zudem darf der Strom nun auch aus Anlagen in unmittelbarer Nachbarschaft des Gebäudes kommen und es ist für Immobilieneigentümer einfacher möglich, Dritte mit der Abwicklung des Mieterstroms zu beauftragen.

    62 Megawatt Mieterstrom gibt es in ganz Deutschland – verschwindend wenig

    Einen Durchbruch lieferte aber auch das nicht. Nach Auskunft des Solarverbands BSW-Solar waren Ende November 2021 bundesweit nur 61,8 Megawatt Mieterstrom installiert. Ein geradezu homöopathischer Wert: Insgesamt liegt die Fotovoltaik-Leistung in Deutschland bei 59 Gigawatt. So heißt es etwa bei den Wuppertaler Stadtwerken zur Begründung, warum es dort noch keine Mieterstromprojekte gibt: Die komplexen energierechtlichen und technischen Rahmenbedingungen stellten „hohe Anforderungen an den elektrischen Aufbau der Anlagen sowie an das gesamte Mess- und Abrechnungskonstrukt.“

    Angesichts dessen schalten viele Immobilieneigentümer einen „Lieferanten“ oder „Contractor“ ein, der sich um alle Erfordernisse beim Mieterstrom kümmert. Dies sind etwa Ökostromlieferanten wie Naturstrom oder Energiedienstleister wie Solarimo, die bundesweit Projekte betreuen. Besondere Kosten entstehen dabei für die Auftraggeber nicht, wie Ann-Kristin Wingert von Solarimo gegenüber EnergieWinde betont: „Wir verdienen unser Geld mit der Stromlieferung.“ Das Geschäftsmodell funktioniert: Aktuell hat die Firma sechs Megawatt Mieterstrom am Netz, in diesem Jahr sollen weitere fünf Megawatt folgen.

    Doch wollen gerade die Verfechter von Bürgerenergie und Genossenschaften die Sache lieber selbst in die Hand nehmen, wie der zuständige Berichterstatter in der Grünen-Bundestagsfraktion, Bernhard Herrmann, betont. Daher gelte es, den „rechtlichen Wirrwarr“ zu beseitigen.

    Ein Hemmnis für den Ausbau: die Regelungen zur Eigenversorgung

    Die Ampelregierung plant zwar Verbesserungen. „Wir werden im Rahmen des Steuer-, Abgaben- und Umlagesystems die Förderung von Mieterstrom und Quartierskonzepten vereinfachen und stärken“, heißt es im Koalitionsvertrag. Doch kritisieren die Verbände den im März veröffentlichten Referentenentwurf des Wirtschaftsministeriums zu diesem Punkt als völlig unzureichend.

    So fordert der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) „unbürokratischere Lösungen im Bereich der gemeinsamen Eigenversorgung und des Mieterstroms sowie bei kleinen PV-Anlagen und Stecksolargeräten“ noch in diesem Jahr. Denn ein Problem sei weiterhin die „enge Definition der Eigenversorgung“ im EEG. Demnach ist Eigenversorgung, für die Abgaben entfallen, nur dann gegeben, wenn die Anlagenbetreiber und Nutzer des Stroms „personenidentisch“ sind. „Dies macht Mieterstromprojekte sowie andere Formen der gemeinsamen Eigenversorgung sehr unattraktiv“, so der vzbv.

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    Mieterstrom krankt seit seiner Einführung an übertriebener Komplexität. Es ist ernüchternd, dass die Ampelkoalition daran nichts ändert

    Christoph Rinke, Vorstand von BürgerEnergie Berlin

    Und Christoph Rinke, Vorstand der Genossenschaft BürgerEnergie Berlin, erklärt: „Mieterstrom krankt seit seiner Einführung ins EEG 2017 an übertriebener Komplexität. Einen eigenen Stromtarif für den Solarstrom im Mehrfamilienhaus abzubilden ist nicht nur administrativ sehr aufwendig, sondern verlangt zusätzlich umfangreiche Arbeiten an der Elektroinstallation des Hauses. Es ist ernüchternd, dass die Ampelkoalition mit ihrem Kabinettsbeschluss zur Novelle des EEG (Osterpaket) daran nichts ändert. Sollte das so bleiben, werden Mieter*innen auch weiterhin viel zu selten von der Energiewende profitieren können.“

    „Mieterstrom sollte Eigenversorgung werden“, fordert die Wohnungswirtschaft

    Im EEG sollte der Direktverbrauch innerhalb eines Gebäudes mit den Regelungen der Eigenversorgung gleichgesetzt werden, fordern die Verbraucherschützer. Zudem könnten weitere Potenziale durch eine Ausweitung von Quartiersansätzen erschlossen werden, wenn Gewerbedächer und andere Nicht-Wohngebäude einbezogen würden. „Mieterstrom sollte Eigenversorgung werden“, fordert auch der Gesamtverband Wohnungswirtschaft (GdW) und betont, die Branche wolle „massiv PV-Anlagen auf ihren Dächern und Quartieren bauen“ und diesen „quartiersweit nutzen“. Die bestehenden Hürden seien daher zu beseitigen.

    Das Bündnis Bürgerenergie plädiert seit Langem für den Ansatz des „Energy sharing“, der „gemeinsamen“ Eigenversorgung. „Wir glauben nicht, dass man den Mieterstrom so entschlacken kann, dass wirklich viel Fotovoltaik auf die Dächer kommt“, sagt Referentin Viola Theesfeld gegenüber EnergieWinde. In seiner Stellungnahme zum Gesetzentwurf verweist das Bündnis darauf, dass trotz der Abschaffung der EEG-Umlage neun Lieferantenpflichten und zehn Meldepflichten bestehen blieben.

    Stecker-Solargeräte – wie sie funktionieren und was sie leisten

     

    Stecker-Solargerät: Die Anlagen, die auch Mini-PV oder Balkonkraftwerke genannt werden, sind eine einfache Möglichkeit, eigenen Strom zu erzeugen.

    Balkonkraftwerk, Mini-PV-Anlage, Stecker-Solargerät – es gibt viele Namen für die kleinen Fotovoltaikanlagen, die auch Mietern und Wohnungseigentümern ohne Zugriff auf das Hausdach die Möglichkeit geben, eigenen Strom zu erzeugen. Die Geräte bestehen aus einem oder zwei Modulen, die über ein Kabel mit einer normalen Haushaltssteckdose (Schuko) oder einem Spezialstecker (Wieland) verbunden werden. Sie können ...

    Wo können Stecker-Solargeräte aufgestellt werden? Das Schaubild zeigt mögliche Standorte der auch Mini-Solaranlagen oder Balkonkraftwerke genannten Anlagen. Infografik: Andreas Mohrmann

    ... an der Balkonbrüstung, auf einem Schrägdach, dem Flachdach einer Garage oder Laube oder an einer Außenwand montiert werden. Genauso ist es möglich, sie im Garten oder auf der Terrasse aufzustellen. Wichtig ist ein sonniger Aufstellort, idealerweise also nach Süden ausgerichtet. Die Anlagen sind für den Eigenverbrauch gedacht, nicht zur Einspeisung von Strom ins öffentliche Netz. Erzeugen sie mehr Strom als die Elektrogeräte im Haushalt ...

    Wer ein Balkonkraftwerk installiert (Stecker-Solargerät/Mini-PV-Anlage) braucht einen Stromzähler mit Rücklaufsperre.

    ... verbrauchen, fließt der Überschuss allerdings dennoch ins Netz. Da herkömmliche Stromzähler, sogenannte Ferraris-Zähler, meist keine Rücklaufsperre besitzen, würden sie sich in diesem Fall rückwärts drehen. Der Netzbetreiber tauscht sie daher durch einen modernen Zähler aus. Dafür darf er nach Angaben der Verbraucherzentrale keine Kosten in Rechnung stellen. Stecker-Solargeräte haben in der Regel eine Leistung von bis zu 600 Watt. Damit ...

    Balkonkraftwrek (Mini-PV-Anlage/Stecker-Solargerät) an einem Balkon in einem Mietshaus: Die Geräte lassen sich mit der Schuko-Steckdose verbinden.

    ... sind sie deutlich kleiner als große PV-Anlagen auf Privathäusern, die eine Leistung von 20 Kilowatt haben können. Dennoch zahlt sich der Einsatz von Balkonkraftwerken aus. Geräte mit 300 Watt liefern an einem guten Aufstellort rund 200 Kilowattstunden im Jahr, die ansonsten vom Stromversorger bezogen werden müssten. Bei einem Strompreis von 35 Cent je Kilowattstunde ließen sich so 70 Euro sparen. Geht man von einem Modulpreis von ...

    Stecker-Solargeräte, auch Mini-PV oder Balkonkraftwerke genannt, liegen im Trend. 2021 wurden fast 80.000 Anlagen in Deutschland verkauft. Infografik: Andreas Mohrmann

    ... 500 Euro aus, macht sich der Kauf also nach gut sieben Jahren bezahlt. In Deutschland boomt der Verkauf von Stecker-Solargeräten. Bundesweit erzeugen knapp 190.000 Geräte Strom. Zusammen kommen die kleinen Anlagen auf eine Leistung von etwa 66 Megawatt. Zum Vergleich: Ein modernes Windrad an Land leistet rund fünf Megawatt. Wegen der hohen Nachfrage, sind die Geräte derzeit allerdings in vielen Shops ausverkauft. Die Module ...

    Balkonkraftwerke an einem Mietshaus in Seoul/Südkorea: Die auch Mini-PV oder Stecker-Solargeräte genannten Anlagen werden in Deutschland immer beliebter.

    ... stammen häufig aus Asien. Diese Balkonkraftwerke sind an einem Mietshaus in der koreanischen Hauptstadt Seoul befestigt. Es gibt allerdings auch europäische Hersteller. Die HTW Berlin bietet einen kostenlosen Stecker-Solar-Simulator an, mit dem sich Kosten und Erträge individuell errechnen lassen. Einige Städte und Gemeinden fördern den Kauf von Stecker-Solargeräten mit mehreren Hundert Euro.

    Stecker-Solargerät: Die Anlagen, die auch Mini-PV oder Balkonkraftwerke genannt werden, sind eine einfache Möglichkeit, eigenen Strom zu erzeugen.
    Wo können Stecker-Solargeräte aufgestellt werden? Das Schaubild zeigt mögliche Standorte der auch Mini-Solaranlagen oder Balkonkraftwerke genannten Anlagen. Infografik: Andreas Mohrmann
    Wer ein Balkonkraftwerk installiert (Stecker-Solargerät/Mini-PV-Anlage) braucht einen Stromzähler mit Rücklaufsperre.
    Balkonkraftwrek (Mini-PV-Anlage/Stecker-Solargerät) an einem Balkon in einem Mietshaus: Die Geräte lassen sich mit der Schuko-Steckdose verbinden.
    Stecker-Solargeräte, auch Mini-PV oder Balkonkraftwerke genannt, liegen im Trend. 2021 wurden fast 80.000 Anlagen in Deutschland verkauft. Infografik: Andreas Mohrmann
    Balkonkraftwerke an einem Mietshaus in Seoul/Südkorea: Die auch Mini-PV oder Stecker-Solargeräte genannten Anlagen werden in Deutschland immer beliebter.

    Angesichts dessen verfolgt man bei den Stadtwerken Wuppertal (WSW) einen Quartiersansatz außerhalb der EEG-Förderung. Dabei sollen neben den Wohngebäuden auch die PV-Anlagen von Gewerbebetrieben einbezogen werden. „Die WSW übernehmen den Strom und liefern ihn an die Kunden in räumlicher Nähe“, erläutert der Verantwortliche für Produktentwicklung und Digitales, Andy Völschow. Unter Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten solle man „auf den größten Dächern möglichst große Anlagen bauen“, meint er.

    Um wirklich mehr Bürgern aktiven Klimaschutz zu ermöglichen, sie aber zugleich von den hohen Energiekosten zu entlasten, erwartet der Grünen-Bundestagsabgeordnete Herrmann weitere rechtliche Verbesserungen durch die Politik über die angekündigte höhere Vergütung für PV-Strom hinaus. „Der breite Wille ist da“, versichert er. Und so könnte, wie er glaubt, noch in diesem Jahr in einer zweiten Stufe nach dem sogenannten „Osterpaket“ gesetzlich der Weg für den „gemeinsamen Eigenverbrauch“ in Häusern und Quartieren frei gemacht werden.

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