CDU-Energiepolitiker Mark Helfrich

  • Search09.12.2024

„Das hat die Ampel leider nicht gut vorbereitet“

Der Strompreis soll runter, die Industrie entlastet werden: Mark Helfrich über die energiepolitische Agenda der Union, mögliche Koalitionspartner – und die Frage, ob er Windräder auch so hässlich findet wie CDU-Chef Friedrich Merz.

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    In Schleswig-Holstein drehen sich besonders viele Windräder, wie hier in Dithmarschen. CDU-Chef Friedrich Merz nannte die Anlagen kürzlich hässlich. Der CDU-Abgeordnete Mark Helfrich sieht die Sache nüchterner.

    „Ästhetische Überlegungen bringen uns dabei nicht weiter“: Windpark in Dithmarschen, dem Wahlkreis von Mark Helfrich.

     

    Herr Helfrich, Ihr Wahlkreis liegt in Schleswig-Holstein, einem Land mit vielen Windrädern. Finden Sie die Dinger eigentlich auch hässlich wie Ihr Parteivorsitzender Friedrich Merz?
    Mark Helfrich: Sie sind vielleicht keine Landschaftsverschönerungsaktionen, aber ich sehe das norddeutsch-nüchtern: Wir brauchen sie genauso wie Autobahnen, Stromnetze und viele andere Infrastrukturen, die einen Eingriff in die Landschaft darstellen. Ästhetische Überlegungen bringen uns dabei nicht weiter. Wenn man es vernünftig angeht und die richtigen Gebiete identifiziert, kann man die Windkraft so ausbauen, dass sie von einem großen Teil der Menschen vor Ort akzeptiert wird.

    Merz nannte die Windenergie eine Übergangslösung.
    Helfrich: Auch das wäre nicht meine Wortwahl, aber in einem gewissen Sinne ist natürlich jede Technologie eine Übergangslösung. Es wäre ein Wunder in der Menschheitsgeschichte, wenn nicht auch Windräder und Solaranlagen eines Tages abgelöst würden. Aber fest steht, dass wir beides brauchen, um die Energiewende zu schaffen.

    Mark Helfrich (46) ist energiepolitischer Fachsprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er vertritt den Wahlkreis Steinburg – Dithmarschen Süd in Schleswig-Holstein. Seit 2013 gewann er dort jeweils das Direktmandat. Helfrich ist zudem Vize-Vorsitzender der Klimaunion, einem Verein, der sich für eine Klima- und Energiepolitik im Einklang mit dem 1,5-Grad-Ziel einsetzt.   Foto: Steven Vangermain

    Sie haben an der „Neuen Energie-Agenda“ mitgewirkt, einem Papier, in dem die Union Wege zu einer bezahlbaren Energiewende aufzeigen will. Wie sehen die aus?
    Helfrich: Wir beschreiben darin einen ganzen Strauß von Maßnahmen. Am dringlichsten ist vielleicht die Senkung der Netzentgelte, die zu einer ernsthaften Belastung für Industrie, Gewerbe und Verbraucher geworden sind. Bislang wählen wir beim Netzausbau meist den teuersten Weg, quasi die Goldrand-Lösung. Wenn wir weitermachen wie bisher, steuern wir auf eine Summe von rund 500 Milliarden Euro für den Netzausbau zu, was sich eins zu eins in Netzentgelte übersetzt. Diese Kosten müssen wir drücken, indem wir an allen nötigen Stellschrauben drehen, sowohl qualitativ als auch quantitativ.

    Woran denken Sie dabei?
    Helfrich: Auf der quantitativen Seite müssen wir dafür sorgen, den Ausbaubedarf durch falsche Anreize nicht noch zu erhöhen. Ein Beispiel: Baden-Württemberg kommt im geplanten Wasserstoffkernnetz viel zu kurz. Die Unternehmen dort müssen sich aber dekarbonisieren. Das führt dazu, dass viele überlegen, selbst Wasserstoff zu erzeugen und dazu Elektrolyseure aufzustellen, was wiederum den Strombedarf in die Höhe treibt und zusätzliche Leitungen erfordert. Ein anderer Ansatzpunkt sind die enorm hohen Kosten für Offshore-Wind-Anbindungen. Wir planen derzeit Windparks mit einer Leistung von 70 Gigawatt in der Nord- und Ostsee. Wenn wir stattdessen nur 58 oder 62 Gigawatt bauen, weil wir feststellen, dass sich die Parks ohnehin gegenseitig den Wind nehmen, wenn sie zu dicht aneinander stehen, wird der Netzausbau entsprechend günstiger. Und das ist nicht die einzige Möglichkeit, bei der Offshore-Wind-Anbindung zu sparen.

    Was meinen Sie damit?
    Helfrich: Bei allen anderen Nordseeanrainern können Offshore-Windparks sowohl eine Stromanbindung bekommen als auch eine Pipeline für Wasserstoff. Das Wind-auf-See-Gesetz in Deutschland lässt das allerdings nicht zu. Dabei gibt es Berechnungen, denen zufolge wir mit erheblich geringeren Netzausbaukosten ins Ziel kommen, wenn wir offshore einen Mix aus Strom und Wasserstoff produzieren.

    Redispatch: Die Kosten für Eingriffe in die Stromnetze gehen in die Milliarden. Infografik: Andreas Mohrmann

    Sie sprachen auch von qualitativen Einsparungen beim Netzausbau.
    Helfrich: Dabei geht es um die Frage Freileitung oder Erdleitung. Als junger Abgeordneter habe ich erlebt, wie Sigmar Gabriel und Horst Seehofer seinerzeit Angela Merkel dazu bewegt haben, dass die Netze vorrangig unter der Erde verlegt werden. Das hat uns Milliarden gekostet und um Jahre zurückgeworfen. Mehr Akzeptanz für den Ausbau hat es uns trotzdem nicht gebracht, es sind jetzt lediglich andere Gruppen, die protestieren. Ich hatte gehofft, dass die Lernkurve beim Thema Erdleitungen irgendwann so groß sein würde, dass sie in puncto Technik und Kosten mit Freileitungen konkurrieren könnten, aber das ist leider nicht der Fall, wie mir drei der vier Übertragungsnetzbetreiber bestätigt haben. Deswegen muss der Erdleitungsvorrang aufgehoben werden.

    Die Maßnahmen, die Sie beschreiben, betreffen allesamt den künftigen Netzausbau. Die Entgelte sind aber schon heute sehr hoch. Wie wollen Sie diese Kosten drücken?
    Helfrich: Die Kosten sind vor allem durch die Redispatch-Maßnahmen so hoch, also durch die Eingriffe der Netzbetreiber, um die Leitungen stabil zu halten. Manche wollen das durch eine Trennung der Gebotszonen lösen, aber das ist politisch vermintes Gelände. Auch die Ampel hat sich nicht an das Thema gewagt, obwohl man es von ihr vielleicht noch am ehesten erwartet hätte. Aber es gibt auch andere Möglichkeiten, um die Auswüchse zu begrenzen.

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    In einem zunehmend volatilen Stromsystem brauchen wir dynamische Netzentgelte, insbesondere für Speicher oder Elektrolyseure, die sich systemdienlich einsetzen lassen

    Mark Helfrich

    Nämlich?
    Helfrich: Ein Beispiel: Pumpspeicherkraftwerke, wie wir sie vor allem im Süden haben, werden derzeit durch starre Regelungen bei den Netzentgelten entlastet. Wenn sie in bestimmten Zeitfenstern Strom beziehen, erhalten sie Vergünstigungen – unabhängig davon, ob zu dieser Zeit gerade viel oder wenig Platz in den Netzen ist. Oft haben wir dann im Norden gerade viel Strom, aber er kommt nicht in den Süden, sodass dort ein zusätzliches Gaskraftwerk hochfahren muss, um den Strombedarf zu decken. In einem zunehmend volatilen Stromsystem brauchen wir deshalb dynamische Netzentgelte, insbesondere für Speicher oder Elektrolyseure, die sich systemdienlich einsetzen lassen. Mir ist klar, dass das eine sehr kleinteilige Steuerung ist. Aber wenn die Alternative Milliardenkosten sind, ist mir das lieber.

    In Ihrer Energie-Agenda kündigen Sie zudem die Absenkung der Stromsteuer aufs europäisch zulässige Minimum an. Wie wird das finanziert?
    Helfrich: Im Kern aus den Einnahmen aus der CO2-Bepreisung. Damit wollen wir sowohl die Steuerentlastung als auch die Senkung der Netzentgelte finanzieren. Zu einem späteren Zeitpunkt müssen wir dann schauen, wie wir aus den CO2-Einnahmen auch einen Sozialausgleich hinbekommen.

    Also wollen Sie ein Klimageld einführen, wie es sich die Ampel vorgenommen hatte?
    Helfrich: Ab einem bestimmten Punkt der Belastung durch die CO2-Preise brauchen wir einen Mechanismus, der gezielt und punktuell beim Bürger ansetzt.

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    Zu behaupten, die Benzin- und Gaspreise würden nicht steigen, wäre nicht redlich. Deshalb brauchen wir Härtefallregelungen zur Abfederung

    Mark Helfrich

    Der CO2-Preis ist in Ihrem Papier das zentrale Werkzeug, um die Klimaziele zu erreichen. Bedeutet das, dass wir uns künftig auf erheblich höhere Sprit- und Gaspreise einstellen müssen?
    Helfrich: Das ist die Konsequenz der kontinuierlich ansteigenden Bepreisung. Zu behaupten, die Benzin- und Gaspreise würden dadurch nicht steigen, wäre nicht redlich. Natürlich gibt es Menschen, denen die Möglichkeit fehlt, sich daran anzupassen, weil sie beispielsweise keine Wallbox für ein E-Auto bekommen oder keinen Zugang zum ÖPNV haben. Deshalb brauchen wir Härtefallregelungen zur Abfederung.

    Die Union wird die Energie-Agenda nicht allein umsetzen können, sondern eine der verbliebenen Regierungsparteien als Juniorpartner benötigen. Bei welcher erkennen Sie größere Überschneidungen in der Energiepolitik?
    Helfrich: Das hängt davon ab, mit welchem Teil der SPD Sie sprechen. Da gibt es eine Nina Scheer, die sich in der Energiepolitik nicht wesentlich von den Grünen unterscheidet, aber auch einen Andreas Rimkus, der jetzt aus dem Bundestag ausscheidet, bei dem die Schnittmengen zur Union deutlich größer sind. Wenn man sich die Partei in Gänze anschaut, würden wir uns mit der SPD vermutlich schneller einigen.

    Wäre es dann nicht ein charmanter Schritt, dem Partner in spe auf die letzten Meter noch bei dem einen oder anderen Gesetz entgegenkommen?
    Helfrich: So einfach ist das nicht. Das Kraftwerkssicherungsgesetz beispielsweise ist noch nicht einmal durchs Kabinett gegangen. Da hat sich Rot-Grün also selbst intern noch nicht abgestimmt. Dieses Gesetz jetzt durchs Parlament zu prügeln, würde unserer Verantwortung nicht gerecht werden. Anders sieht es nach der Vertrauensfrage am 16. Dezember bei Maßnahmen wie dem Kraft-Wärmekopplungsgesetz aus, bei dem es im Kern nur um eine Verlängerung geht. Bei den anderen Themen muss man der Ampel leider sagen: Ihr habt es nicht so weit vorbereitet, dass man es jetzt in der Kürze der Zeit noch verabschieden könnte.

    Die Fragen stellte Volker Kühn.

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