Annalena Baerbock beim „Tag der Industrie“: Die Grünen suchen die Nähe zur Wirtschaft.
Von Jasmin Lörchner
Die Kampagne ist eine Breitseite gegen die Grünen: Anfang Juni schaltet die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in großen deutschen Medien Anzeigen, die Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock in Moses-Pose zeigen. In den Armen trägt sie Steintafeln, auf denen zehn Verbote stehen, von „Du darfst kein Verbrennerauto fahren“ bis zu „Du darfst deine Arbeitsverhältnisse nicht frei aushandeln“.
Ein Faktencheck der Nachrichtenagentur dpa ergibt, dass die Behauptungen ungenau oder sogar falsch sind. Die vermeintlich geplanten Verbote von Verbrennungsmotoren oder Flügen etwa stehen anders als von der INSM behauptet so nicht im Parteiprogramm der Grünen. Zudem muss sich die Initiative gegen Vorwürfe wehren, mit der Kampagne antisemitische Vorurteile zu bedienen.
Die Grünen und die Industrie haben sich lange gemieden. Jetzt nähern sie sich an
Mit der Werbeanzeige verbreitet die INSM einen altgedienten Vorwurf gegen die Grünen: dass es sich bei ihnen um eine Verbotspartei handle, die ambitionierte Ziele und Ansprüche stelle, ohne die Wirtschaftskompetenz für seriöse Lösungen zu besitzen. Ein Image, das spätestens seit 2013 an den Grünen klebt, als sie die Idee eines Veggiedays in Kantinen präsentierten.
„Wir haben es lange nicht geschafft, uns gegen solche Vorwürfe zu wehren“, sagt Thomas Gambke, Gründer und Vorstand des Grünen Wirtschaftsdialogs. Der Verein bemüht sich um einen engen Austausch zwischen Unternehmern, Managern und Politikern, insbesondere Vertretern der Grünen. Denn lange gab es nur wenig Dialog zwischen der Partei und der Wirtschaft. Die Grünen-Fraktion plante ihren Austausch mit einigen wenigen Wirtschaftsvertretern nur von einer Legislaturperiode zur nächsten; Gesprächen mit Großkonzernen wie Bayer oder BASF verweigerte sich die Partei lange Zeit ganz. Gambke erzählt von einem Gespräch mit einem Parteikollegen, der das Problem einst so beschrieb: „Einen Grünen können Sie nachts um zwei Uhr wecken und eine Diskussion über Umweltfragen führen. Beim Thema Wirtschaft kann es zwei Uhr nachmittags sein, aber die Diskussion – naja …“