Clean Energy Package der EU

  • Search11.01.2019

Brüssel stellt Weichen in der Energiepolitik

32 Prozent Ökostrom – das ist das Minimalziel der EU für 2030. Ein zentrales Instrument auf dem Weg dorthin ist die jüngst in Kraft getretene Richtlinie RED II. EnergieWinde erklärt die wichtigsten Punkte.

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    Von Steven Hanke

    Heiligabend war auch in der Energiebranche Bescherung. Am 24. Dezember sind einige richtungsweisende Neuregelungen im EU-Recht in Kraft getreten: Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II), die Governance-Verordnung und die Energieeffizienzrichtlinie bilden zusammen den Rahmen für die Energiepolitik im nächsten Jahrzehnt. Sie sind Teil eins des sogenannten Clean Energy Package (CEP), über das die EU-Organe – Rat, Parlament und Kommission zwei Jahre lang verhandelt haben.

    EnergieWinde erläutert die wichtigsten Veränderungen.

    1. Ökostrom soll auch künftig gefördert werden

    Die novellierte Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) ist eine Art Laufzeitverlängerung für die finanzielle Förderung von Ökostrom. Das ist bemerkenswert, denn die Förderung steht in der Kritik – und zwar sowohl von Teilen der Mitgliedsstaaten als auch von einzelnen Stimmen in der EU-Kommission. Immer wieder werden Forderungen laut, zumindest die Unterstützung für inzwischen technisch ausgereifte Energieträger zu beenden – vor allem also für die Windkraft an Land und die Solarenergie.

    Zu den Kritikern der Förderung zählen unter anderem einflussreiche Mitglieder der Unionsfraktion im Bundestag oder auch die Monopolkommission, ein unabhängiges Beratungsgremium der Bundesregierung.

    Doch dem widerspricht nicht nur die EU, sondern auch die Bundesregierung selbst: Ihrer Ansicht nach müssen erneuerbare Energien weiterhin gefördert werden, um die Energiewende voranzutreiben. Denn das Strompreisniveau sei aktuell zu gering, als dass sich allein dadurch der Bau von Ökostromanlagen rentieren würde. Die Preisprognosen seien zudem zu unsicher, um eine Refinanzierung rein über den Strommarkt zu ermöglichen.

    Da die RED-II-Richtlinie von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht gegossen werden muss, sind bei diesem Thema noch Auseinandersetzungen zu erwarten.

    2. Für Ökostromanlagen besteht eine Ausschreibungspflicht – mit Ausnahmen

    Der Bau von Windparks, Solaranlagen und anderen regenerativen Energiequellen muss laut dem Beihilferecht der EU ausgeschrieben werden. So soll sichergestellt werden, dass er möglichst kostengünstig erfolgt. Die novellierte Fassung von RED II erlaubt allerdings Ausnahmen von dieser Ausschreibungspflicht – weil das Verfahren aus Sicht der Autoren nicht immer die effizienteste Form der Preisfindung ist.

    Die Ausnahmen betreffen kleine Projekte und Forschungsvorhaben. Wo die Größengrenze liegt, ist nicht abschließend geklärt. Insbesondere die Franzosen, aber auch die Deutschen machen von der Ausnahmeregelung bereits Gebrauch.

    3. Wind und Sonne treten in Auktionen gegeneinander an – mit Ausnahmen

    Die EU will den Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Ökostromtechnologien wie Solar- und Windenergie stärken. Am Ende soll sich die kostengünstigste Erzeugungsform durchsetzen. Deshalb sollen Ausschreibungen zum Bau Ökostromkapazitäten grundsätzlich allen Technologien offenstehen. Die Politik gibt dabei lediglich vor, wie viel Strom die neuen Kraftwerke liefern müssen. Bewerben können sich dann sowohl Wind-, als auch Solarprojekte – das günstigste erhält den Zuschlag.

    Doch RED II sieht auch bei diesen technologieoffenen Auktionen Ausnahmen vor. Und zwar für den Fall, dass dieses Verfahren zu desaströsen Ergebnissen wie jüngst in Deutschland führt: Dort erhielten bei den ersten gemeinsamen Testausschreibungen von Onshore-Wind und Solar nur Solaranlagen einen Zuschlag.

    Ob Windräder oder Solaranlagen die günstigere Form der Stromerzeugung sind, hängt von den Rahmenbedingungen an verschiedenen Standorten ab. In technologieoffenen Auktionen treten sie dennoch gegeneinander an – was zu verzerrten Ergebnissen führen kann.

    Ob Windräder oder Solaranlagen die günstigere Form der Stromerzeugung sind, hängt von den Rahmenbedingungen an verschiedenen Standorten ab. In technologieoffenen Auktionen treten sie dennoch gegeneinander an – was zu verzerrten Ergebnissen führen kann.

    Das lag aber nicht an etwaigen Kostenvorteilen der Fotovoltaik, sondern hatte regulatorische Gründe. Ein entscheidender war, dass zu wenig Baugenehmigungen für Windparks vorlagen und daher wenig Projektentwickler mitbieten konnten. In solchen Fällen können die Staaten weiterhin technologie-spezifisch ausschreiben.

    4. Staaten können einen Teil ihrer Ökostromförderung für Ausländer reservieren

    Ähnliche Probleme wie bei technologieoffenen Ausschreibungen werden verstärkt auch bei grenzüberschreitenden Auktionen auftreten. Schließlich sind die regulatorischen Bedingungen von Land zu Land unterschiedlich. Ungeachtet dessen können die EU-Staaten laut der RED-II-Richtlinie freiwillig fünf und später zehn Prozent ihrer nationalen Förderung ausländischen Anlagenbetreibern reservieren.

    Eine grenzüberschreitenden Pilotausschreibung gab es bereits zwischen Deutschland und Dänemark in der Solarenergie. Das Ergebnis war, dass sämtliche Zuschläge nach Dänemark gingen, weil dort das Flächenangebot größer und die Pachtpreise niedriger waren. Für eine Erweiterung des Modells auf Onshore-Wind sucht die Bundesregierung bislang erfolglos nach Partnerländern. 2023 will die EU prüfen, ob sie die freiwillige Teil-Öffnung für das Ausland zur Pflicht erklärt.

    Einen Schritt in diese Richtung haben bereits Deutschland und Frankreich unternommen: Die für Energie zuständigen Minister unterschrieben im Sommer eine Erklärung, in der es heißt, dass sie bis 2030 gemeinsame Pilotprojekte entwickeln wollen, zum Beispiel für Windkraft in der Nordsee.

    Außerdem wollen sie ihre Ausbaustrategien für Offshore-Wind koordinieren. Ihnen geht es, so ist zu hören, um ein internationales Drehkreuz für Windstrom inmitten der Nordsee – in Anlehnung an die bekannte Insellösung von Übertragungsnetzbetreiber Tennet.

    5. Die Staaten können ihre Fördersysteme harmonisieren

    Anstelle einer Öffnung nationaler Fördersysteme für Ausländer könnten laut RED II zwei oder mehr Staaten zusammen ein länderübergreifendes Fördersystem und gemeinsame Projekte anstoßen. Prädestiniert hierfür wären die Nordseeanrainer. Sie arbeiten seit Jahren an Plänen für ein gemeinsames Offshore-Stromnetz, dass die Windparks auf See einschließt. Etwas Ähnliches ist in der Ostsee geplant.

    Solarparks wie hier in NRW haben inzwischen einen hohen technischen Reifegrad erreicht. Staatliche Förderungen seien damit überflüssig, meinen Kritiker der Erneuerbare-Energien-Richtlinie. Doch EU und Bundesregierung sehen das anders.

    Solarparks wie hier in NRW haben inzwischen einen hohen technischen Reifegrad erreicht. Staatliche Förderungen seien damit überflüssig, meinen Kritiker der Erneuerbare-Energien-Richtlinie. Doch EU und Bundesregierung sehen das anders.

    Eine Grundvoraussetzung hierfür wäre, dass die Anrainer ihre Fördersysteme und Regulierungen harmonisieren. Denn im Stromnetz lässt sich der Weg der Elektronen nicht nachverfolgen, und somit auch nicht, welche nationale Vergütung sie erhalten müssten.

    6. Die EU-Staaten müssen stärker kooperieren

    Grundsätzlich soll die Erneuerbare-Energien-Richtlinie den Geist der internationalen Zusammenarbeit atmen. Das erkennt man schon daran, dass keine nationalen Ausbauziele für die Erneuerbaren mehr formuliert werden wie bisher, sondern nur noch ein gemeinsames. Der Ökostromanteil in der EU insgesamt soll bis 2030 auf mindestens 32 Prozent steigen. Welchen Beitrag zu diesem Ziel die Staaten sich zu leisten im Stande fühlen, mussten sie der EU-Kommission bis Ende 2018 in Nationalen Energie- und Klimaplänen darlegen. Deutschland lieferte seinen auf den letzten Drücker.

    7. Die EU kann eigene Ökostrom-Projekte anstoßen / Vorreiter werden belohnt

    Die Kommission prüft nun, ob die gemeldeten Beiträge der Mitgliedsstaate ausreichen, um das 32-Prozent-Ziel zu erreichen. Sollte das nicht der Fall sein, legt die Governance-Verordnung ein kompliziertes Prozedere von Nachverhandlungen fest. Im Gespräch ist, dass weniger ambitionierte Staaten letztlich in einen Topf einzahlen, aus dem heraus die Kommission dann selbst EU-Projekte finanziert oder die Vorreiter finanziell unterstützt. Für Vorreiter richtet die EU eine Art Tauschbörse ein, die „Union renewable development platform“. Auf der können sie überschüssige Ökostromanteile gegen bare Münze handeln.

    8. Die Genehmigungsverfahren werden gestrafft

    Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II enthält viele weitere interessante Ansätze. So sollen zum Beispiel die Genehmigungsverfahren vereinfacht und zeitlich gestrafft werden, auf bis zu ein Jahr. Die Staaten sollen zentrale Anlaufstellen („One-Stop-Shops“) einrichten, die die Antragsteller durch den Genehmigungsdschungel führen.

    Jogger im Gegenlicht vor Windrädern: Bis zum 32-Prozent-Ziel ist es ein weiter Weg. Um es zu erreichen, will die EU die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten verbessern.

    Bis zum 32-Prozent-Ziel ist es ein weiter Weg. Um es zu erreichen, will die EU die Zusammenarbeit der Mitgliedsstaaten verbessern.

    Endkunden und Privathaushalte sollen einen Rechtsanspruch erhalten, sich selbst mit grüner Energie zu versorgen. Bürger beziehungsweise „Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften“ sollen sich als gleichberechtigte Akteure neben den etablierten Großunternehmen finanziell an Ökostromvorhaben beteiligen können. Als Anteilseigner, nicht nur mit Stimmrechten.

    EU-Rat, Parlament und Kommission haben sich Ende 2018 auch grundsätzlich auf den zweiten Teil des Clean-Energy-Package geeinigt, der 2019 in Kraft treten dürfte. Dabei geht es um die Strommarkt-Regulierung. Die entsprechende Richtlinie und Verordnung beinhalten so wichtige Themen wie die Regeln für Kapazitätsmarkte zur Subventionierung fossiler Kraftwerke oder den Zuschnitt der Strompreiszonen.

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