Energieverbrauch

  • Search03.10.2023

Energiewende als Effizienzprogramm

Deutschland braucht Strom für Millionen Wärmepumpen, E-Autos und die Elektrifizierung der Industrie. Trotzdem sinkt der Energieverbrauch insgesamt. Nicht zuletzt, weil Erneuerbare effizienter sind als fossile Brennstoffe.

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    Windpark im Odervorland: Der Energieverbrauch in Deutschland sinkt im Zuge der Energiewende. Der Strombedarf steigt allerdings.

    Windräder im Odervorland: Erneuerbare Energiequellen wie Wind- und Solarparks haben einen unschlagbar hohen Wirkungsgrad.

     

    Von Volker Kühn

    Wenn künftig Millionen von Elektroautos auf unseren Straßen fahren und zugleich Millionen von Wärmepumpen unsere Wohnungen heizen – steigt dann der Energieverbrauch?

    Intuitiv beantworten das viele mit Ja. Man liest schließlich immer wieder vom gewaltigen Strombedarf, den die Verkehrswende und die Wärmewende mit sich bringen. Und es stimmt ja auch: Deutschlands Stromverbrauch wird in Zukunft höher liegen als heute. Oft ist sogar von einer „Ökostromlücke“ die Rede, weil der Ausbau der Erneuerbaren zu langsam vorankommt. Je nachdem, welche Annahmen die Forscher zugrunde legen, kommen sie auf einen Bedarf von 650 bis knapp 900 Terawattstunden im Jahr 2030. Heute liegt der Verbrauch bei nicht einmal 600 Terawattstunden.

    Doch der steigende Strombedarf ändert nichts daran, dass der Energieverbrauch insgesamt, also über alle Sektoren hinweg betrachtet, sinken wird – so wie tendenziell seit Jahren schon. Nach Zahlen des Umweltbundesamts kam Deutschland 2022 auf einen Verbrauch von knapp 11,8 Petajoule. Das ist fast ein Viertel weniger als noch 1990.

    Der Primärenergieverbrauch in Deutschland sinkt tendenziell seit Jahren. Das liegt u.a. am Ausbau der Erneuerbaren, die besonders effizient Energie liefern. Infografik: Andreas Mohrmann

    Dass die Eingangsfrage, in welche Richtung sich der deutsche Energieverbrauch entwickelt, oft falsch beantwortet wird, hat zwei Ursachen:

    • Zum einen denken viele bei Energie nur an Strom. Überraschend ist das nicht, denn wenn von der Energiewende die Rede war, kreiste die Diskussion in der Vergangenheit fast ausschließlich darum, die Stromerzeugung zu dekarbonisieren, also Gas- und Kohlekraftwerke durch erneuerbare Quellen wie Wind und Solar zu ersetzen. Doch Strom ist nicht alles – mehr als die Hälfte seines Energieverbrauchs deckt Deutschland in Form von Mineralöl (35 Prozent) und Gas (24 Prozent), vor allem im Verkehr, in der Industrie und beim Heizen.
    • Zum anderen übersehen viele, dass elektrische Systeme in der Regel einen deutlich besseren Wirkungsgrad haben als solche, die auf der Verbrennung fossiler Rohstoffe beruhen: Man muss weniger Energie aufwenden, um eine bestimmte Leistung zu erhalten.

    Verbrenner gelten als „Heizungen mit Vorwärtsdrang“. E-Autos sind effizienter

    Am Beispiel des Autos lässt sich das gut zeigen: Wer für 100 Euro an der Tankstelle Energie in Form von Diesel oder Benzin in sein Auto füllt, muss je nach Modell damit rechnen, dass nur 20, 30 oder höchstens mal 45 Euro davon in Bewegungsenergie umgesetzt werden. Der Rest verpufft in Form heißer Abgase oder erhitzt den Motorblock. Nicht umsonst kursiert für Benzin- und Dieselautos das spöttische Bonmot von der „Heizung mit Vorwärtsdrang“.

    Anders sieht es bei E-Autos aus. Wer für 100 Euro lädt, kann davon ausgehen, dass rund 80 Euro in den Antrieb gehen. Selbst wenn man Ladeverluste einberechnet, sind es noch um die 65 Euro. Deutlich mehr also als bei Verbrennern.

    Die Energie von Kohlekraftwerken? Erzeugt Wölkchen über dem Schornstein

    Was für den Verkehr gilt, trifft auch auf andere Sektoren zu. Während der Wirkungsgrad von Windrädern und Solaranlagen in der Energiebilanz des Umweltbundesamts (UBA) mit 100 Prozent angenommen wird, kommen selbst die besten Kohlekraftwerke nicht einmal auf 50 Prozent. Das Steinkohlekraftwerk Lünen etwa, eines der modernsten Europas, wurde 2015 als „effizientestes Kohlekraftwerk der Welt“ ausgezeichnet – mit einem Wirkungsgrad von 46 Prozent. Auch in Lünen landet also mehr als die Hälfte der Energie nicht im Stromnetz, sondern vor allem in Form von Wasserdampfwolken in der Luft. Noch schlechter schneiden Atomkraftwerke ab. Sie haben laut UBA einen Wirkungsgrad von 33 Prozent.

    Das Steinkohlekraftwerk Lünen ist zwar eines der effizientesten der Welt, kommt aber nicht mal ansatzweise an den Wirkungsgrad von Windrädern oder Solaranlagen heran.

    Das Steinkohlekraftwerk Lünen erreicht einen Wirkungsgrad von 46 Prozent. Das ist für ein fossiles Kraftwerk stark. Doch mehr als die Hälfte der Energie aus der Kohle bleibt ungenutzt.

    Der Umstieg auf erneuerbare Quellen bedeutet folglich nicht nur, dass wir weniger CO2 in die Atmosphäre blasen. Er macht auch Schluss mit der horrenden Energieverschwendung, die mit der Verbrennung von Öl, Gas und Kohle verbunden ist. Die Energiewende ist ein Effizienzprogramm.

    Und genau das nimmt einer Zahl den Schrecken, mit der Kritiker die Vergeblichkeit der Energiewende belegen wollen: 17 Prozent. Das war der Anteil Erneuerbarer am gesamten Energieverbrauch im Jahr 2022, im Fachjargon Primärenergieverbrauch. Das Argument der Kritiker: Wir haben 20 Jahre gebraucht, um auf 17 Prozent zu kommen – die übrigen 83 Prozent schaffen wir nie.

    Deutschland erzeugt viel Energie. Doch ein Großteil bleibt ungenutzt

    Doch das ist auch nicht nötig. Denn ein erheblicher Anteil des aktuellen Energiebedarfs fällt in Zukunft gar nicht erst an, wenn Sektoren wie der Autoverkehr und die Stromerzeugung, in denen heute noch viel Energie ungenutzt verpufft, auf grüne Energie umgestellt werden. E-Autos fahren mit derselben Menge Energie weiter als Verbrenner, Windräder und Solaranlagen speisen ihre Energie komplett ins Netz, statt wie Kohlekraftwerke mehr als die Hälfte zu verschleudern.

    Es geht also nicht darum die 11,8 Petajoule des Jahres 2022 zu dekarbonisieren, sondern um deutlich weniger. Die Bundesregierung peilt für 2030 einen Energieverbrauch von 10,1 Petajoule an, 2050 sollen es nur noch 7,2 Petajoule sein.

    Das ist immer noch eine gewaltige Aufgabe, für die sehr viel mehr Strom nötig ist als heute. Aber eben eine deutlich kleinere, als Skeptiker behaupten.

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