Speicherung von CO2 (CCS)

  • Search09.06.2022

„Wir brauchen CCS für die Klimaziele“

Schottland will klimaschädliches CO2 unter dem Meer deponieren. Kritiker monieren, das Ende fossiler Technologien werde so verzögert. Rebecca Bell vom Forscherverbund SCCS hält die Pläne dagegen für sinnvoll – zumindest in einigen Bereichen.

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    Mit der Speicherung von CO2 wird bereits in mehreren Ländern experimentiert. Auch die Schotten wollen CCS einsetzen und CO2 unter der Nordsee speichern.

    Auf Island existiert bereits eine Anlage zur CO2-Speicherung. Die Schotten setzen auf ein ähnliches Verfahren.

     

    Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, muss die Welt nicht nur den CO2-Ausstoß drastisch reduzieren. Sie muss der Atmosphäre zusätzlich auch bereits emittiertes CO2 wieder entziehen, sagt der Weltklimarat IPCC. Das kann etwa durch sogenannte natürliche Senken geschehen – Wälder, Moore oder Seegraswiesen beispielsweise, die CO2 aufnehmen. Daneben arbeiten Länder wie Norwegen daran, CO2 in der Erdgasproduktion und in Industrien wie der Zementherstellung aufzufangen und unterirdisch zu speichern. Carbon Capture and Storage, kurz CCS, nennt sich dieses Verfahren. Viele Klimaschützer lehnen es ab, weil die Risiken ungeklärt seien und es als eine Art Laufzeitverlängerung für fossile Industrien dienen könne.

    In Schottland setzt die Regierung dennoch auf CCS. Rebecca Bell ist Referentin für Politik und Öffentlichkeit bei SCCS, einem Forschungszusammenschluss von sechs schottischen Universitäten. Er ist der größte seiner Art in Großbritannien. Im Interview erläutert sie die Pläne.

    Mrs. Bell, was genau ist CCS?
    Rebecca Bell: CCS steht für Carbon Capture and Storage und ist ein Mittel im Kampf gegen den Klimawandel. Wie Sie wissen, soll laut dem Pariser Abkommen von 2015 der Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius begrenzt werden. Dazu müssen wir CO2 reduzieren. Mit CCS wird einem CO2-Träger beziehungsweise der Luft CO2 entnommen und anschließend unterirdisch gelagert.

    Was sind aus Ihrer Sicht die Vorteile von CCS?
    Bell: CO2 entsteht bei der Verbrennung von fossilen Energieträgern, in der Ölindustrie, bei der Stahl- und Zementproduktion. Solange es uns nicht gelingt, solche und andere Aktivitäten kurzfristig einzustellen oder deutlich umweltneutraler zu gestalten, brauchen wir Technologien, die uns dabei helfen, das entstehende CO2 auf andere Weise einzufangen. Wir können die Pariser Klimaziele nicht erreichen, wenn es uns nicht gelingt, CO2 zu lagern.

    Rebecca Bell, Referentin für Politik und Öffentlichkeitsarbeit bei SCCS, erklärt im Interview, warum Schottland auf das CCS-Verfahren zur Speicherung von CO2 setzt.

    Fast die Hälfe der potenziellen CO2-Lagerstätten Europas liegt in britischen Gewässern, sagt Rebecca Bell.

    Welche Rolle spielt Schottland dabei?
    Bell: Eine Schlüsselrolle bei CCS spielt der richtige Standort. Wir müssen Lagerstätten finden, an denen wir CO2 sicher, kostengünstig und langfristig lagern können. Das Nordseebecken vor den schottischen Küsten mit seinen reichhaltigen Öl- und Gasvorkommen scheint hierfür besonders geeignet zu sein. Es wird geschätzt, dass sich rund 40 Prozent der europaweiten CO2-Speicherkapazitäten vor den britischen Küsten befinden und davon die Hälfte in Schottland. Sie sehen also, dass der Standort Schottland für die CCS-Technologie ungeheuer wichtig ist. In Schottland gibt es außerdem aufgrund der jahrzehntealten Ölindustrie eine Expertise für komplexe Offshore-Operationen, und ein Großteil der benötigten Infrastruktur ist bereits vorhanden. Die Nordsee ist umgeben von Anrainerstaaten mit bedeutenden Industriestandorten, die beim Aufbau einer CCS-Infrastruktur helfen können.

    Wie genau sieht diese Infrastruktur in Schottland aus?
    Bell: Die Aktivitäten werden im sogenannten Scottish Cluster zusammengefasst. Sie gruppieren sich um das Acorn-Projekt im Nordosten des Landes. Das CO2 würde am St.-Fergus-Gasterminal nördlich von Aberdeen bei der Gasproduktion entnommen. Dieses Terminal verfügt über drei Pipelines, über die das CO2 zu den Lagerstätten transportiert werden kann. Das Projekt Acorn Hydrogen hingegen sieht die Lagerung von CO2 vor, das bei der Produktion von blauem Wasserstoff aus Erdgas entsteht. Außerdem ist ein neues Kraftwerk bei Peterhead geplant. Wir sehen insgesamt eine große Chance, vorhandene Öl- und Gasinfrastruktur zu nutzen, die für die Förderung nicht mehr gebraucht wird. Das macht Acorn auch wirtschaftlich attraktiv, da es Kosten vermeidet.

    Wie funktioniert die CCS-Technik?
    Bell: Gas aus der Atmosphäre wird mit einer Chemikalie in Verbindung gebracht. Diese Chemikalie verbindet sich mit dem CO2. Wenn man diese Mischung erhitzt, werden die beiden Bestandteile wieder voneinander getrennt und man gewinnt das reine CO2, das man transportieren und lagern kann.

    Wo würde die eigentliche Lagerung passieren?
    Bell: Sie findet dann rund 100 Kilometer vor der Küste von Aberdeen statt. Dazu wurde eine rund 1000 Quadratkilometer große Fläche ausgewiesen. Dort wird das CO2 in einer Tiefe von rund 800 Metern unter dem Meeresspiegel gelagert, sodass die Temperatur, die Druckverhältnisse und die vorhandenen Felsformationen dafür sorgen, dass Lecks vermieden werden. Die Lagerung erfolgt dauerhaft in porösem Gestein.

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    Es ist ja nicht so, dass wir von einer gänzlich neuen Technologie reden. Am St.-Fergus-Gasterminal wird seit den Siebzigerjahren CO2 gewonnen

    Rebeca Bell

    Wie kann die Sicherheit der Anlage gewährleistet werden?
    Bell: Es ist ja nicht so, dass wir von einer gänzlich neuen Technologie reden. Am St.-Fergus-Gasterminal wird seit den Siebzigerjahren CO2 gewonnen. Nur geschah das damals nicht zum Schutz des Klimas, sondern es war Teil der Erdgasgewinnung. In den USA wird CO2 in Pipelines transportiert. Das weltweit erste industriell betriebene CCS-Projekt Sleipner in Norwegen speichert CO2 seit über 20 Jahren im Untergrund. Wissenschaftlichen Untersuchungen zufolge hätte ein Leck schädliche Auswirkungen auf die Umwelt. Der Schaden wäre aber regional begrenzt und würde die weitere Umgebung nicht gefährden. Im Übrigen werden die Lagerstätten sorgfältig ausgewählt und überwacht, um das Auftreten von Lecks zu verhindern.

    Wie steht denn die schottische Bevölkerung zu CCS?
    Bell: Die Bevölkerung vor Ort an der Ostküste ist nach meinem Dafürhalten an Bord. Das hat natürlich auch mit den Arbeitsplätzen zu tun, die künftig entstehen werden. Einige Umweltgruppen sind dafür, andere dagegen. Die große Mehrheit der Bevölkerung hat sich zu CCS noch keine Meinung gebildet. Es ist eine trotz allem eine neue Technologie, die 100 Kilometer draußen auf dem Meer stattfindet.

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    Es gibt aber Industriezweige, die mit Strom aus erneuerbarer Energie nicht dekarbonisiert werden können

    Rebeca Bell

    Manche sehen CCS weniger als Klimaschutztechnologie denn als Laufzeitverlängerung für die Öl- und Gasindustrie. Wäre es nicht besser, direkt in saubere Energie zu investieren, als das CO2 fossiler Energien mit viel Aufwand wieder aus der Atmosphäre zu holen?
    Bell: Wir sollten sowohl in saubere Energie als auch in CCS investieren. Beides ist erforderlich, um das Klimaziel zu erreichen. Es gibt aber Industriezweige, die mit Strom aus erneuerbarer Energie nicht dekarbonisiert werden können, weil sie sehr viel Wärme benötigen. Dazu zählen beispielsweise die Glasherstellung oder Branchen, die als Teil ihrer Produktionsprozesse CO2 abgeben wie etwa die Zementindustrie. Hier können Sie keinen Strom verwenden. Sie müssen entweder Gas und CCS einsetzen oder Wasserstoff verwenden, der dann wahrscheinlich zunächst auch mithilfe von Erdgas und CCS hergestellt werden müsste.

    Wie geht es in Zukunft weiter?
    Bell: Es gab im vergangenen Jahr eine Ausschreibung der britischen Regierung. Dabei haben zunächst einmal zwei englische Standorte das Rennen gemacht. Das ändert aber nichts an dem CCS-Potential, das wir hier in Schottland haben. Die schottische Regierung hat angekündigt, Acorn mit 80 Millionen Pfund zu unterstützen. Über den Zeitplan für eine weitere Ausschreibungsrunde der britischen Regierung (Track2) ist noch nicht entschieden.

    Die Fragen stellte Nicola de Paoli.

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