CO2-Steuer im Ausland

  • Search03.09.2019

Preisschild für Klimasünden

Während Deutschland diskutiert, schaffen andere Fakten: Von Schweden über Frankreich bis Kanada existieren verschiedene Formen der Bepreisung von CO2. Die meisten helfen dem Klima tatsächlich – manche aber haben Nebenwirkungen.

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    CO2-Steuer im Ausland: Kanada hat unter Premierminister Justin Trudeau eine landesweite Abgabe auf Kohlendioxid eingeführt und gute Erfahrungen damit gemacht.

    Unter Premierminister Justin Trudeau hat Kanada eine landesweite CO2-Steuer eingeführt. Die Zustimmung der Bevölkerung sollen Rückzahlungen sichern, die die Höhe der Abgabe übersteigen.

    Von Robert Otto-Moog

    Je teurer der Ausstoß von Treibhausgasen ist, desto weniger werden in die Atmosphäre geblasen: Bis zu diesem Punkt herrscht weitgehende Einigkeit in der deutschen Klimadebatte. Umstritten ist dagegen, auf welche Art der Ausstoß am besten verteuert werden kann. Die fünf Wirtschaftsweisen haben sich kürzlich für eine Steuer ausgesprochen, sie sei eine „historische Chance“. Vor allem die Unionsparteien sehen das anders. Eine Steuer, sagt etwa Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier (CDU), belaste viele, „ohne den CO2-Ausstoß nachhaltig zu reduzieren“. Auch Kanzlerin Angela Merkel lehnt eine Steuer ab, sie macht sich stattdessen für einen Handel mit CO2-Zertifikaten stark.

    Unabhängig von der konkreten Ausgestaltung steht für den Ökonomen Ulrich Schmidt vom Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW) fest, dass Deutschland eine Neujustierung seiner Klimapolitik braucht: Die bisherige sei teuer und ineffektiv. Vor allem das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) sei mit Blick auf die Reduktion des Ausstoßes wenig effizient, Gleiches gelte für das europäische Emissionshandelssystem. „Wenn wir CO2 einsparen wollen, dann brauchen wir eine CO2-Bepreisung“, sagte Schmidt im Gespräch mit EnergieWinde. Sie sei die günstigste Möglichkeit, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid zu senken. „Bei einem einheitlichen Preis wird das CO2 nämlich genau da eingespart, wo die Einsparung zu den geringsten Kosten führt.“

    Andere Länder sind entsprechende Schritte bereits gegangen. Einer Übersicht der Weltbank zufolge gab es 2018 in 26 Ländern Emissionsabgaben, hinzu kamen 25 regionale Initiativen. Wie eine CO2-Bepreisung funktionieren kann und wo Gefahren lauern, zeigen die Erfahrungen der folgenden fünf Länder.

    Schweiz: Hohe CO2-Abgabe mit sozialer Komponente

    In der Schweiz gibt es bereits seit 2008 eine sogenannte Lenkungsabgabe auf fossile Brennstoffe wie Heizöl oder Erdgas. Treibstoffe wie Benzin und Diesel sind von der CO2-Abgabe nicht betroffen. Der Weltbank zufolge hat die Schweiz nach Schweden die zweithöchsten CO2-Steuern. Derzeit liegen sie bei umgerechnet 88 Euro pro Tonne Kohlenstoffdioxid. Weil die Reduzierung der Klimagasemissionen bislang nicht so stark wie gewünscht war, will die Regierung in Bern die Abgabe weiter erhöhen – gekoppelt an Emissionsziele. Sollten diese nicht erreicht werden, könnte die Steuer bis frühestens 2028 auf mehr als 190 Euro pro Tonne CO2 steigen.

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    Das Schweizer Modell ist besonders interessant, da dabei das Umverteilungsproblem gelöst wird

    Ulrich Schmidt, Institut für Weltwirtschaft Kiel

    Das einkassierte Geld fließt zu einem Drittel in ein Programm zur energetischen Sanierung von Gebäuden, der Rest zurück an die Wirtschaft und als Pro-Kopf-Erstattung direkt an die Bürger – über die Krankenkasse. Denn dort sind alle Eidgenossen registriert. Dem Schweizer Bundesamt für Umwelt zufolge verursacht das pragmatische System nur geringe bürokratische Kosten. Es habe sich zudem bereits bei früheren Rückverteilungen bewährt.

    Ein denkbares Modell auch für Deutschland? Ja, findet Ökonom Schmidt: „Das Schweizer Modell ist besonders interessant, da dabei das Umverteilungsproblem gelöst wird.“

    Schweden: CO2-Ausstoß und Wirtschaftswachstum entkoppelt

    In Schweden existiert bereits seit 1991 eine CO2-Besteuerung, aktuell die höchste weltweit. Das Ergebnis: Seit der Einführung sanken die CO2-Emissionen um 26 Prozent. Und das ganz ohne das Wirtschaftswachstum zu belasten – das Bruttoinlandsprodukt des Klimaschutzvorreiters stieg permanent. Die Tonne Kohlendioxid wird mit aktuell etwa 115 Euro besteuert, wie die bei der Pariser Klimakonferenz ins Leben gerufenen Carbon Pricing Leadership Coalition (CPLC) angibt. Zum Vergleich: In Deutschland wird derzeit ein Einstiegspreis von etwa 35 Euro pro Tonne diskutiert.

    Die CO2-Steuer wird von der schwedischen Bevölkerung akzeptiert, obwohl die Preise für fossile Energieträger merklich gestiegen sind. Denn die Abgabe wurde in die bereits bestehende Energiesteuer integriert – und diese wiederum gleichzeitig deutlich verringert. Andere Steuern wurden abgeschafft oder gekürzt.

    Kanada: Zwei Steuern, ein Preis

    Während sich die US-Regierung vom Klimaschutz verabschiedet, weitet der Nachbar im Norden sein Engagement aus: Seit diesem Jahr gibt es landesweit gleich zwei CO2-Steuern – eine Brennstoffsteuer und eine Klimagassteuer. Zuvor galten die Abgaben nur in einigen Provinzen, andere hatten sich lange gewehrt. Die Brennstoffsteuer betrifft Produzenten und Händler fossiler Kraftstoffe wie Benzin und Kohle. Die zweite gilt für energieintensive Betriebe, die jede Tonne CO2 bezahlen müssen, die über eine festgelegte Emissionsgrenze hinausgeht. Alles, was unterhalb der Grenze liegt, wird dem jeweiligen Unternehmen gutgeschrieben. Bei beiden Steuern liegt der Preis pro Tonne Kohlendioxid bei umgerechnet rund 13,50 Euro. Bis 2022 soll er auf knapp 34 Euro steigen.

    Die Zustimmung der Bevölkerung will die Regierung von Premierminister Justin Trudeau mithilfe von Rückzahlungen gewinnen, durch die viele Bürger am Ende mehr Geld erhalten sollen, als sie durch die neuen Steuern verlieren. Trotzdem macht die konservative Opposition Stimmung gegen die Abgabe. Dabei sprechen die Zahlen für die Steuer. Bereits 2008 wurde in der Provinz British Columbia eine CO2-Steuer eingeführt. Das Ergebnis: Der Verbrauch fossiler Brennstoffe sank deutlich, während er im Rest des Landes leicht stieg. Und die Einwohner British Columbias legten ihre Skepsis schnell ab.

    Frankreich: Startschuss für die Gelbwesten

    Die Franzosen haben bereits 2014 eine relativ geringe Steuer auf Kraft- und Brennstoffe eingeführt, die sich am Kohlendioxidausstoß bemisst. Auch hier wurde keine vollkommen neue Steuer eingeführt, sondern bestehenden Energieverbrauchssteuern eine CO2-Komponente hinzugefügt. Airlines sind vollständig davon befreit, Baumaschinen und landwirtschaftliche Fahrzeuge sowie Taxis genießen Erleichterungen.

    Im vergangenen Jahr wurden die Abgaben deutlich erhöht – mit verheerenden Folgen für Präsident Emmanuel Macron. Denn weil die Steuererhöhung vor allem Vielfahrer betrifft, formierte sich massiver Protest. Die teilweise gewaltsamen Demonstrationen der Gelbwesten zogen sich über Monate hin.

    Aktuell liegt der Preis für eine Tonne Kohlendioxid in Frankreich bei knapp 45 Euro. Bis 2022 soll er auf 86 Euro steigen. Doch auf Druck der Gelbwesten sagte Macron die für dieses Jahr geplante Erhöhung ab. Gemessen an den Einnahmen hat Frankreich laut Weltbank trotzdem das umfangreichste CO2-Steuer-System. 2016 soll Frankreich geschätzte 3,8 Milliarden Euro erlöst haben, heißt es in einem Bericht des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestags. Die Einnahmen fließen in den Ausbau der erneuerbaren Energien.

    Großbritannien: Austritt aus dem EU-Emissionshandel?

    Die Briten setzen in ihrer Klimapolitik bislang auf den EU-weiten Handel mit Emissionszertifikaten, ergänzen ihn aber um einen sogenannten Carbon Price Floor. Dahinter verbirgt sich eine Art Mindestpreis, der dazu geführt hat, dass der Ausstoß von Treibhausgasen in Großbritannien auch in den Zeiten vergleichsweise teuer war, als die Zertifikatepreise am Boden lagen. Seit mehr als zwei Jahren steigen die Preise allerdings – inzwischen liegen sie über dem Carbon Price Floor.

    Ein ähnliches Modell mit einem Mindestpreis für Zertifikate wäre dem renommierten Ökonomen Ottmar Edenhofer zufolge auch für die gesamte EU denkbar. Denn die Zertifikate nützten nur etwas, wenn sie ausreichend teuer sind, argumentiert der Leiter des Potsdam-Instituts für Klimaforschung.

    In Großbritannien sollte dieser Preis eigentlich weiter steigen, das wurde durch die Regierung aber vorerst gestoppt. Und auch die weitere Handhabung der CO2-Abgabe ist angesichts des Brexits ungewiss. Schließlich ist die britische Abgabe an ein System gekoppelt, aus dem das Vereinigte Königreich mit dem EU-Austritt höchstwahrscheinlich ausscheidet.

    Braunkohlemeiler Niederaußem von RWE: Über die Form der Bepreisung von CO2 herrscht Streit in Deutschland.

    Braunkohlekraftwerk Niederaußem in NRW: Niedrige Strompreise und ein steigender CO2-Preis führen laut einer Studie der englischen Klimaschutzorganisation Sandbag bereits heute dazu, dass viele deutsche Meiler unwirtschaftlich arbeiten.

    Schulze für höhere Kraftstoffsteuern, Merkel für Emissionszertifikate

    In Deutschland wirbt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) dafür, die schon bestehenden Energiesteuern auf Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas zu erhöhen, ähnlich wie in Schweden oder Frankreich. Ein solches Vorgehen wäre kompatibel mit den Einschätzungen des Wissenschaftlichen Dienstes, ist man im Ministerium sicher. Am Ende müssen aber multilaterale Lösungen her.

    „Das wäre am besten“, sagt auch der Ökonom Ulrich Schmidt. „Die optimale Lösung wäre ein weltweiter Handel mit Emissionszertifikaten.“

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