Kampf um Amerikas Energiewende

  • Search21.10.2021

Joe gegen Joe

Joe Biden will Offshore-Wind zur Säule der US-Energieversorgung ausbauen. Doch die hochfliegenden Pläne stoßen auf eine ganze Reihe von Hindernissen. Der härteste Widerstand kommt ausgerechnet von einem demokratischen Senator mit zweifelhafter Agenda.

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    Biden als Marionette von Manchin: Protest eines Klimaaktivisten vor dem Kapitol Mitte Oktober.

     

    Von Jasmin Lörchner

    Die US-Regierung schaltet in der Energiewende einen Gang hoch. Vor wenigen Tagen verkündete US-Innenministerin Deb Haaland auf einem Branchentreffen der Windindustrie den Plan, Offshore-Windparks entlang der gesamten US-Küste zu bauen. Konkret nehme man die staatlichen Gewässer im Golf von Maine und vor den Bundesstaaten North Carolina und South Carolina in den Blick, außerdem den Golf von Mexiko und an der Pazifikküste vor Kalifornien und Oregon. Geht es nach der Regierung, sollen schon 2025 die ersten Abschnitte an Projektentwickler verpachtet werden.

    Die Ankündigung ist Teil des ambitionierten Klimaschutz-Programms von US-Präsident Joe Biden. Es sieht vor, den Treibhausgasausstoß bis 2030 zu halbieren. Dafür, so kündigte Biden im März an, soll die Offshore-Windenergie bis 2030 auf 30 Gigawatt ausgebaut werden.

    Amerikas Offshore-Windenergie steckt in den Kinderschuhen. Das soll sich ändern

    Aktuell sind nur zwei kleine Offshore-Windparks in den USA am Netz: Block Island vor dem Bundesstaat Rhode Island mit einer Kapazität von 30 Megawatt und Coastal Virginia mit zwölf Megawatt. Doch im Mai genehmigte die Regierung die Pläne für das 800-Megawatt-Projekt Vineyard Winds, das vor Martha’s Vineyard entstehen soll, einer Insel, die zu Massachusetts gehört. Die bis zu 84 Turbinen werden von einem Joint Venture aus Copenhagen Infrastructure Partners und der Iberdrola-Tochter Avangrid für 2,5 Milliarden Euro entwickelt.

    „Amerikas Offshore-Wind-Ressourcen zu nutzen, wird Zehntausende hochqualifizierte Jobs schaffen, Küstenregionen revitalisieren und große Mengen verlässlicher, sauberer Energie liefern“, lobte Heather Zichal, Chefin der Industrieorganisation American Clean Power Association.

    Energieexperte Mark Z. Jacobson äußerte sich gegenüber EnergieWinde jedoch zurückhaltender: „30 Gigawatt Offshore-Wind bis 2030 sind ein toller Start, aber wir brauchen 130 Gigawatt bis 2030, um beim US-Emissions-Problem voranzukommen“. Um das zu erreichen, sieht Jacobson das größte Potenzial in schwimmenden Windrädern. „Momentan macht die Installation den Großteil der Kosten aus, und die lassen sich durch Floating-Offshore-Windparks signifikant senken. Die Prognose ist, dass die Kosten bis 2024 bei neun Cent pro Kilowattstunde liegen“, so Jacobson.

    Die Demokraten haben eine hauchdünne Mehrheit. Doch ein Senator schert aus

    Die Pläne stehen allerdings vor mehr als nur einem Hindernis. Denn die Finanzierung muss vom Senat gebilligt werden – und dort hakt es. Die Demokraten sind auf ihre hauchdünne Mehrheit angewiesen, doch der demokratische Senator Joe Manchin verweigert seine Stimme ausgerechnet dem Kern von Bidens Klimaschutzpaket, dem 150 Milliarden Dollar teuren Clean Electricity Program. Es sieht vor, mit einer Mischung aus staatlichen Subventionen und Strafzahlungen jährlich vier Prozent der Kohle- und Gaskraftwerke abzuschalten und mit Wind-, Solar- oder Nuklearenergie zu ersetzen. Prognosen zufolge könnten die USA auf diese Weise schon am Ende des Jahrzehnts 80 Prozent ihrer Energie aus diesen drei Energieträgern beziehen.

    US-Präsident Joe Biden will die Offshore-Windenergie im Atlantik, Pazifik und Golf von Mexiko ausbauen. Die Pläne drohen an Senator Joe Manchin zu scheitern – einem Demokraten.

    Senator Joe Manchin hat sein Geld in der Kohlebranche gemacht – und hält noch heute Kohle-Aktien im Millionenwert.

    Manchin vertritt als Senator den US-Bundesstaat West Virginia. Er verweigert die Zustimmung, um die starke Kohleindustrie dort zu stützen. Dabei geht es allerdings nicht nur um politisches Kalkül gegenüber seinen Wählern. Manchin hält selbst Millionenbeträge in Kohleaktien und bezieht jährlich etwa 500.000 Dollar Dividende aus dem Unternehmen Enersystems, das er 1988 selbst gegründet hat.

    Enersystems kauft Kohleabfall aus Minen und verkauft ihn dann an Kohlekraftwerke für die Energiegewinnung weiter. Das Unternehmen wird mittlerweile von Manchins Sohn geführt, doch die Dividenden und seine zusätzlichen Aktieninvestments gelten Kritikern als massiver Interessenskonflikt. Ist Manchin – was derzeit sehr wahrscheinlich scheint – mit seiner Blockadehaltung erfolgreich, verliert die Regierung eines ihrer wichtigsten und effektivsten Programme, um die Emissionen zügig zu senken und grüne Energien wie Wind- und Solarkraft zu fördern.

    Unabhängig von der Finanzierung stehen Washington und die Regierungen der Bundesstaaten vor weiteren Herausforderungen. Zunächst müssen die Projekte vor der Küste ein Genehmigungsverfahren des Bureau of Ocean Energy Management (BOEM) durchlaufen. Allein die dafür notwendigen Umweltprüfungen sind langwierig. Hinzu kommt der Ausbau der Stromnetze in den Küstenregionen, an die die Windräder angeschlossen werden.

    Selbst wenn Manchin zustimmen sollte: Bis zum Bau der Windparks ist es weit

    Und auch die Offshore-Windindustrie selbst muss in den USA erst auf die Beine kommen. Alle 16 derzeit geplanten Windparks werden von ausländischen Joint Ventures und Energiekonzernen finanziert. Den USA fehlen bisher nicht nur die Unternehmen, die solche Projekte entwickeln und realisieren können, sondern auch Fachkräfte.

    Auch bei der Logistik ist das Land dünn aufgestellt. Denn um Windräder auf hoher See installieren zu können, braucht es Spezialschiffe. Ein seit 100 Jahren bestehendes US-Gesetz, der Jones Act, schreibt allerdings vor, dass der Transport von Gütern zwischen US-Zielen nur auf Schiffen erfolgen darf, die US-Bürgern gehören oder von der amerikanischen Küstenwache lizensiert wurden. Lizenzen bekommen nur Schiffe, die in den USA gebaut worden sind und unter US-Flagge fahren. Derzeit verfügen die USA über kein einziges Spezialschiff, das diesen Anforderungen entspricht. Ein erstes Exemplar wird nun in einer texanischen Werft gebaut, die bisher auf die Konstruktion von Spezialschiffen für die Ölindustrie spezialisiert war.

    Fischer klagen gegen die Windparks: Sie fürchten um ihre Fanggebiete

    Protest kommt zudem von Fischern. Sie fürchten, dass der Bau von Offshore-Windrädern im großen Ausmaß Auswirkungen auf die Fischbestände haben und ihre Fischereigebiete beschneiden könnte. Die Interessensgruppe Responsible Offshore Development Alliance (RODA) reichte im September Klage gegen die Bundesbehörde BOEM ein wegen der Genehmigung der Vineyard-Windfarm und droht nun offen damit, auch die Regierung zu verklagen.

    RODA wirft Washington vor, Gesetze wie den Clean Water Act und den Endangered Species Act zum Schutz der Wasserqualität und gefährdeter Arten mit der Genehmigung für die Vineyard-Windfarm missachtet zu haben. Ein Rechtsstreit könnte den Bau des jüngst genehmigten Offshore-Windparks nicht nur verzögern, sondern auch die anderen geplanten Projekte mit einem großen Fragezeichen versehen.

    Die Zeit drängt: Schon 2024 steht die nächste Präsidentschaftswahl an

    Nicht zuletzt steckt hinter der Ankündigung, ab 2025 erste Pachtverträge zu vergeben, die Annahme, dass in vier Jahren noch immer eine demokratische Regierung im Amt ist, die den Klimaschutz weiterhin aktiv vorantreibt. Doch schon 2024 findet die nächste Wahl des US-Präsidenten statt. Sollten die Republikaner das Weiße Haus zurückerobern, wäre die Zukunft der Klimaschutzprogramme und Investitionen in grüne Energie mehr als ungewiss.

    Update 19. November 2021

    Mit einer Mehrheit von 220 zu 213 Stimmen hat das Repräsentantenhaus einer abgespeckten Version des Klima- und Sozialpakets von Joe Biden heute zugestimmt. Nun ist der Senat am Zug. Dort dürfte es auf erheblichen Widerstand stoßen – nicht zuletzt von Joe Manchin.

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